Haller Häuserlexikon – Besitzerliste 1827
Obere Herrngasse 15 - Feste feiern, wie sie fallen
Primärkatasternummer: 63
Besitzer: 1827
Hezel, Carl Friedrich, Stadtgerichtsassessor, Witwe
Besitzerliste
Vor 1525/1526 erscheint in den Beetlisten als Besitzer des Hauses Hans Schnürlin, Gastwirt. 1525/1526 wird auch sein Sohn Lenhart als Steuerzahler in diesem Haus erwähnt.
1527/1528 und 1529/1530 werden Alt Hans Schnürlin und Lienhard Feuchter als gemeinsame Besitzer genannt. Ab 1531/1532 bis 1543 erscheinen dort die „Hans Schnürlerin“ (also wahrscheinlich die Witwe Hans Schnürlins) und Lienhard Feuchter als gemeinsame Besitzer (StadtA Schwäb. Hall 4/1860 – 4/1874).
Von 1545/1546 bis zu seinem Tod 1561 war Lienhard Feuchter alleiniger Beisitzer. Auch als sein Beruf wird „Gastwirt“ genannt. Lienhard Feuchter saß schon 1530 im Inneren Rat, ab 1548 amtierte er immer wieder als Stättmeister (StadtA Schwäb. Hall 4/1875 – 4/1879 und Gerhard Wunder, Georg Lenckner (Bearbb.): Die Bürgerschaft der Reichsstadt Schwäbisch Hall von 1395 bis 1600, Stuttgart 1956, S. 222, Nr. 2066).
Das Haus Obere Herrngasse 15 beherbergte also eine der frühen Haller Gastwirtschaften, die noch keine Namen trugen. Die Gaststätte Schnürlins in der Keckengasse (alter Name für die Herrngasse) wird schon in der ersten Wirtslisten von 1498 und 1501 erwähnt. Im Teilbesitz von Lienhard Feuchter scheint sich die Gaststätte zum wichtigsten und vornehmsten Wirtshaus in Schwäbisch Hall entwickelt zu haben. Prominente Gäste wurden regelmäßig auf Kosten der Stadt hier einquartiert. Auch die Beköstigung von Gesandtschaften fand bei Lienhard Feuchter statt (StadtA Schwäb. Hall, Hinweise in den Steuerrechnungen).
Der Festsaal im Garten aus dem Jahr 1529 wurde folglich als Nebengebäude der führenden Haller Gastwirtschaft errichtet, hatte also einen eindeutig ökonomischen Zweck. Zum Sommerhaus wurde er erst sekundär.
Lienhard Feuchter starb 1561, seine Witwe Anna Flurhey lebte noch bis 1577. Dann ging das Haus auf Lienhards Sohn Matthias Feuchter über (Gerhard Wunder, Georg Lenckner (Bearbb.): Die Bürgerschaft der Reichsstadt Schwäbisch Hall von 1395 bis 1600, Stuttgart 1956, S. 222, Nr. 2066).
Matthias Feuchter, der als Renovaturschreiber arbeitete, betrieb die Gastwirtschaft sicher nicht weiter. 1568 hatte er Margaretha Moser geheiratet, deren Bruder Balthas Moser seit 1580 im Inneren Rat saß und als reichster Bürger der Stadt 1597 Stättmeister wurde (Gerhard Wunder, Georg Lenckner (Bearbb.): Die Bürgerschaft der Reichsstadt Schwäbisch Hall von 1395 bis 1600, Stuttgart 1956, S. 222, Nr. 2066 und S. 459, Nr. 5953).
Für Matthias Feuchter zahlte sich diese Verbindung nicht aus, denn Margaretha Moser verlangte am 19. März 1583 die Scheidung von ihrem Ehemann. Matthias Feuchter hatte einen Ehebruch begangen und gestanden. Margaretha Moser ließ vor dem Ehegericht erklären, sie wolle ihrem Ehemann auf keinen Fall mehr eheliche Beiwohnung leisten, eine Versöhnung sei ausgeschlossen. Das Urteil sprach die verlangte Scheidung aus. Margaretha Moser erhielt das Recht, sich anderwärtig wieder zu verheiraten (StadtA Schwäb. Hall 4/638, fol. 171V-173V).
Am 10. Mai 1585 verkaufte Matthias (oder: Matheus) Feuchter sein Haus an Johann Wilhelm Krauß. Johann Wilhelm Krauß war kurpfälzischer Amtsverweser zu Boxberg. Das Haus wird beschrieben als: Haus und seine Hofraithe in der Oberen Herrngasse zwischen dem Predigthaus und dem Haus der Barbara Roschmann, Witwe des Stadtschreibers Felix Roschmann. Zum Haus gehörten auch Abseite und Stallung am Eck gegenüber neben dem Haus des Johann Heimberger und oben an das Pfarrhaus Johann Weidners. Beides sei gültfrei und frei unbekümmert eigen. Der Kaufpreis betrug 1.000 fl (StadtA Schwäb. Hall 4/788, fol. 2V).
1599/1600 erscheint die Witwe von Johann Wilhelm Krauß als Hausbesitzerin (StadtA Schwäb. Hall 4/1887).
Am 17. Mai 1602 verkauften die Vormünder der Tochter des Johann Wilhelm Krauß, badischer Amtmann zu Ettlingen, das väterliche Haus an Dr. Sebastian Dietrich. Zum Verkauf gehörten Haus und Hofraithe, Garten und Sommerhaus. Das Haus wurde als in der Nähe des Neuen Tors zwischen den Anwesen von Johann Heimberger und Anna Schweicker liegend beschrieben. Der Kaufpreis betrug 1.000 fl (StadtA Schwäb. Hall 4/806, fol. 78R).
Dr. Sebastian Dietrich blieb Hausbesitzer von 1602 bis 1631. 1633 erscheint im Beetbuch seine Witwe als Besitznachfolgerin (StadtA Schwäb. Hall 4/1888 – 4/1901). [Zwischen 1633 und 1651 fehlen die Beetbücher.]
1651-1663 wird Melchior Romig, zunächst Mitglied des Spitalgerichts, später des äußeren Rates, als Hausbesitzer genannt (StadtA Schwäb. Hall 4/1902 – 4/1926).
1665 verstarb Catharina Romig, die Ehefrau des in den Steuerbüchern genannten Melchior Romig. Aufgrund ihres Nachlassinventars lässt sich die Hausgeschichte eindeutig klären. Nicht ihr Ehemann war Hausbesitzer, sondern sie hatte das Haus ererbt. Sie war eine Tochter des Dr. Sebastian Dietrich. In erster Ehe war sie mit David Schmalkalder, in zweiter mit David Wetzel und in dritter mit dem schon genannten Melchior Romig verheiratet gewesen. An ihre Tochter zweiter Ehe Anna Margaretha Wetzel ging auch das mütterliche Haus. Anna Margaretha war mittlerweile mit Johann Sixt Schübelin verheiratet. Der Übernahmepreis des Hauses am Neuen Tor, gelegen zwischen den Häusern des Johann Heinrich Dietrich, Mitglied des Inneren Rates, [= Obere Herrngasse 11] und des Ludwig David Müller, Mitglied des Inneren Rates, [= Obere Herrngasse 17], betrug 1.080 fl. Ein Sommerhaus, ein kleiner Stall, zwei Höfe und ein Würzgarten gehörten mit zum verkauften Anwesen. Im Kauf eingeschlossen waren auch die Fässer im Keller, allerlei Gerümpel und die Bretter im Sommerhaus (StadtA Schwäb. Hall 14/972).
Johann Sixt Schübelin war am 10. September 1630 in Hall geboren worden. Er starb am 25. Oktober 1698 ebenfalls in Hall. Seine Eltern waren Johann Sixt Schübelin, Mitglied des Inneren Rates, Katharinen- und Haalpfleger, und Anna Maria Löchner. Er heiratete am 15. April 1656 Anna Margaretha Wetzel, die am 24. August 1639 geboren worden war und am 29. Mai 1715 starb. Sie war eine Tochter des David Wetzel, Stättmeister, und der Catharina Dietrich. Schübelin studierte 1649 in Straßburg, betrieb hebräische Studien in Buxtorf bei Basel und studierte in Marburg. 1654 wurde er Konrektor des Gymnasiums in Hall, 1658 wurde er Rektor. 1669 gab er aus Verdrossenheit sein Amt auf. 1671 wurde er Mitglied des Inneren Rates (Otto Haug (Bearb.): Pfarrerbuch Württembergisch Franken, Bd. II, Teil 2, S. 410, Nr. 2402).
1715, nach dem Tod Anna Margaretha Schübelins, gingen Haus, Hofraithe, Sommerhaus und Gärtlein samt Scheuer und Stallung an ihre Tochter Anna Rosina Hetzel, Ehefrau des Johann Peter Hetzel, Stadtschreibereiadjunkt. Der Übernahmepreis lag bei 1.900 fl (StadtA Schwäb. Hall 14/1858).
Anna Rosina Hetzel lebte bis 1762. Ihre beiden Kinder waren vor ihr gestorben, so dass 1762 ihre Schwiegertochter Maria Margaretha, die Witwe des Sohnes Georg Friedrich Hetzel, Mitglied des Inneren Rates, Mühlenpfleger und Oberlandesheiligenpfleger, das Haus übernahm. Es wurde ihr für 1.600 fl überlassen (StadtA Schwäb. Hall 14/2963).
1775 beim Ableben Maria Margaretha Hetzels wurde das Haus wiederum um 1.600 fl von ihrem Sohn Dr. Georg Wilhelm Hetzel, Stadtschreiber, erworben (StadtA Schwäb. Hall14/3519).
1796 schließlich erbte der Sohn Georg Wilhelm Hetzels, Karl Friedrich Hetzel, Registrator, das väterliche Haus (StadtA Schwäb. Hall 4/881, fol. 4V).
(Andreas Maisch, 26. August 2014)
Zwei Prozesse mit den angrenzenden Dekanat wegen des Schüttens von Wasser und Unrat in den Garten des Hauses:
1610: Sebastian Dietrich (10/237)
1694: Johann Sixt Schübelin, Mitglied des Inneren Rates (10/301)
Weitere Besitzer/innen:
1827: Hezel, Carl Friedrich, Stadtgerichtsassessors, Witwe
1841: Hezel, Carl Friedrich, Stadtgerichtsassessors Witwe, Erben (19/826, S. 269)
1863: Die Erben von Hezel, Carl Friedrich, Assessors Witwe, und in deren Namen und Vollmacht der Miterben Stadtpfarrer Bosch in Liechberg, verkaufen an Herrn Oberpräzeptor Megnin, Ernst. ( 19/1030, S. 356b)
1877: Megnin, Ernst, Oberpräzeptor, verkauft an seinen Tochtermann, Kolb, Christof, Stadtbaumeister hier.
Adressbücher:
1886 - 1901: Kolb Christof, Stadtbaumeister
1910: Kolb, Emma, Privatiere
1920 - 1932: Zapf, Hugo, Fabrikant; Bosse, Paul, Dr. med., Hals-Nasen-Ohrenleiden.
1932 - 1966: Bosse, Paul, Dr. med.
1973 - 1976: Bosse, Karin (und weitere Bewohner)
Haustafel
Die Haller Bürger liebten ihre Gärten, Gartenhäuser, prächtige Aussichten und gesellschaftliche Ereignisse. So leistete sich der Besitzer dieses großen Wohnhauses 1529 einen geräumigen Bau im Garten, der einen großen Festsaal beherbergte. Seine reichen farbigen Wandbemalungen sind unter dem heutigen Verputz weitgehend erhalten.
Befunde aus Bauforschung
Holzteile vom 14./16. und 17. Jahrhundert. Dendrochronologisch datiert auf 1336, 1495/96, 1528/29. (StadtA Schwäb.Hall BF 74)
Dendrochronologisch datiert: Deckengebälk, bergseitig auf 1336+1414; Dach auf 1495/96. (BF Lohrum/Bleyer)
Beschreibungen
1827: PKN 63 und 63a zwei Wohnhäuser in der Oberen Herrngasse mit Hof hinter dem Haus, zwei Ökonomiegebäuden, Waschküche und einem Hof neben dem Haus, insgesamt 1/8 Morgen und 11,2 Ruten
Das stattliche, dreigeschossige, verputzte Fachwerkwohnhaus in Hanglage mit Steinsockel (Buckelquader), einem Vorstoß im Obergeschoss und Halbwalmdach stellt ein im Kern spätmittelalterliches Patrizierwohnhaus dar. Der Bau überliefert ein Wohngebäude der führenden Schicht der Stadt und gehört zu den ältesten noch erhaltenen Zeugen der Bebauung der Kernaltstadt. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 346)
Obere Herrngasse 15, 15/1 (Flst.Nr. 0-105). Wohnhaus. Dreigeschossiges verputztes Fachwerkgebäude in Hanglage mit Steinsockel (Buckelquader), Vorstoß und Halbwalmdach. Im Kern spätmittelalterlich, 1494 (d). Hinterhaus Obere Herrngasse 15/1 (ehem. Sommerhaus), 1529 (d). § 2 (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)
Besonderheiten
In einer Ausstellung der Frauenakademie 2002 spielte auch die Obere Herrngasse 15 eine Rolle:
1978: Im Frauenzentrum geht es um Bedürfnisorientierung und Selbsterfahrung
Teilnehmerinnen des Frauen-Forums, einem Gesprächskreis der Volkshochschule, gründen im November 1978 das erste Schwäbisch Haller Frauenzentrum und mieten im folgende Jahr eine Wohnung in der Oberen Herrngasse 15. Das Zentrum ist eines von vielen selbst organisierten Projekten, die seit Beginn der 70er Jahre innerhalb der Frauenbewegung entstehen.
Auch die Hallerinnen erproben neue Formen der Frauenbildungsarbeit: Sie machen ihre subjektive Befindlichkeit und ihre persönliche Problemsicht zum Ausgangspunkt und zum Gegenstand ihrer Lernprozesse. In über dreißig Gruppen befassen sie sich mit Themen wie Hausfrau-Sein, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, Lohn für Hausarbeit, Sexualität und Sozialisation.
Die interne Arbeit im Zentrum mündet in politische Aktionen: Die Frauen kämpfen für ein Frauenschutzhaus und für eine Frauenbeauftragte. Sie installieren das erste Notruftelefon sowie ein Beratungsangebot und eine Notunterkunft für misshandelte Frauen. Fünfzig öffentliche Veranstaltungen und Seminare zu frauenpolitischen Themen werden durchgeführt. Im Frühjahr 1986 kauft die Stadt Schwäbisch Hall das Gebäude, in dem das Frauenzentrum untergebracht ist, und kündigt den Frauen. Eine brauchbare Alternative wird nicht gefunden. Die Gruppe fällt auseinander.
Vier Jahre später, im März 1990, wird das zweite Frauenzentrum gegründet. Die Initiatorinnen wollen nicht an das Projekt ihrer Vorgängerinnen anknüpfen, sondern ganz von vorn beginnen. Das zweite Frauenzentrum – seit Ende 1990 in der Langen Straße 18 – ist mit seinem vielfältigen Gesprächs-, Bildungs- und Kulturangebot zu einer festen Einrichtung in Schwäbisch Hall geworden.
Aus: Ulrike Marski (Hrsg.), Katechismus, Nähzeug, Büchermappe. Weibliche Bildungswege in Schwäbisch Hall. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung. Schwäbisch Hall 2002, S. 29