Haller Häuserlexikon – Besitzerliste 1827
Gelbinger Gasse 86
Primärkatasternummer: 337
Besitzer: 1827
Gebhardt, Johann Michael, Gradierer; Bauer, Georg Leonhard, gewes. Rathaus Einbrenners Kinder
Besitzerliste
1573 (vermutlich): Vermutlich ist Jörg Butz der früheste nachweisbare Besitzer des Hauses, das 1595 über seine Witwe in den Besitz von deren zweiten Ehemann Daniel Horch kam und 1613 eindeutig als Vorläufer der heutigen Gelbinger Gasse 86 identifiziert werden kann. Jörg Butz wurde 1567 in das Haller Bürgerrecht aufgenommen und wohnte laut den Beetlisten (Bürgersteuerlisten) mindestens seit 1573 in der Gelbinger Gasse bzw. am Gelbinger Tor. In der Beetliste 1573/74 und 1575/76 steht Jerg Butz nach Michel Kretzer an letzter Stelle in der Rubrik "Gelbinger Gassen" (4/1880-4/1881). 1577/78 und 1579/80 ist er an anderer Stelle in der Rubrik "Gelbinger Gassen" zwischen Michel Krezer und Hanns Widman aufgelistet (4/1882-4/1883). Wahrscheinlich hat sich nicht das Wohnhaus geändert, sondern die Führung der Beetlisten bzw. die Gruppierung der darin aufgelisteten Steuerzahler. 1581/82 wird Butz in der Rubrik "Von dem großen Rörcasten ahn biß zu dem Eussersten Thor" zwschen Michel Kratzer und Hans Widman aufgeführt (4/1884), 1591/92 steht er in derselben Rubrik zwischen dem Kübler Hans Kurr und Stefan Feyerabend, zweiterer der früheste eindeutig identifizierbare Besitzer des nördlich anstoßenden Nachbarhauses (heute Gelbinger Gasse 88) (4/1885).
Georg oder Jörg Butz war in erster Ehe seit dem 18. September 1565 mit Margarethe Wolz, in zweiter Ehe ab 21. April 1583 mit Barbara Röhler verheiratet. Ein Todesdatum ist nicht bekannt, muss aber vor dem 4. Mai 1596 liegen, da seine Witwe an diesem Tag erneut heiratete. In der Beetliste 1597/98 ist vermerkt: "Georg Butzen Wittib, jezo Daniel Horch Eefrau". Sie steht dort in der Rubrik "Von dem grossen Rhör Casten an biß zum Gälbinger Thor" zwischen Hans Kurr, Kübler, und Stefan Feyerabend (S27; 4/1886; Wunder/Lenckner Nr. 1177).
1596: Durch die 1596 erfolgte Eheschließung mit Barbara Röhler, der Witwe des Georg Butz, kommt Daniel Horch in den Besitz des Hauses, dem er in einem das Nachbarhaus betreffenden Kaufvertrag von 1613 eindeutig zugeordnet werden kann (der Rotgerber Jörg Schmidt kauft das Haus neben dem Gelbinger Torturm und Daniel Horch von seinem Schwager David Schweicker) (4/655, Bl. 312v). Daniel Horch aus Hagenbach wurde 1596 in das Bürgerrecht der Reichsstadt Schwäbisch Hall aufgenommen und heiratete am 4. Mai 1596 Barbara Röhler, die zweite Ehefrau und Witwe des Georg Butz. Da Daniel Horch am 27. September 1614 eine zweite Ehe mit Veronika Klotz aus Michelfeld, Tochter des Konrad Klotz, einging, muss seine erste Frau vor diesem Datum verstorben sein. Daniel Horch starb allerdings kurz nach seiner zweiten Heirat seinerseits, da seine Witwe 1615 in zweiter Ehe den Müller Michel Löw in Michelfeld heiratete (Wunder/Lenckner 4003; S27).
1617: Laut einem Kaufvertrag vom 19. Februar 1617 hat Apollonia Mehrer eine Behausung in der Gelbinger Gasse zwischen David Hennenberger (Traubenwirt in der Marktstraße) und Georg Schmid für 120 Gulden von Michael Löw, Müller zu Michelfeld erworben (4/656, Bl. 77v). Die aus Unterfischach gebürtige Apollonia Mehrer geb. Thalheimer (†1627), war die dritte Ehefrau und Witwe des beim Kornhaus wohnhaften Schneiders Jakob Mehrer, genannt "Stitzle" (†1615). Sie ist erstmals in der Beetliste (Bürgersteuerliste) 1625/26 als Anwohnerin beim Gelbinger Tor genannt. Zwar haftete auf dem hier verkauften Haus eine Gült von 10 ß und einem Herbsthuhn gegenüber der Heiligenpflege zu St. Michael. Für das heutige Haus Gelbinger Gasse 86 ist Anfang des 18. Jahrhunderts hingegen eine Gültpflicht von 13 ß gegenüber der Reichalmosenpflege belegt (der Unterschied in der Summe kann aber mit der Umwandlung des "Herbsthuhns" in eine Zahlung von weiteren 3 ß erklärt werden, s. 4/691, Bl. 323 für Gelb. Gasse 80).
1627: Das Haus geht vermutlich als Erbschaft von der am 13. September 1627 verstorbenen, bis dahin in den Steuerlisten als "Jacob Mehrers Wittib" genannten Apollonia Mehrer an ihren Sohn, den Pflästerer Johann Jakob Mehrer (1597-1661). In der Beetliste 1627/28 werden noch beide genannt, ab der nächsten erhaltenen Liste für 1630-32 nur noch der Sohn (4/1899, 4/1900; S27).
1661: Nach dem Tod des Pflästers Johann Jakob Mehrer am 10. August 1661 geht das Haus offenbar an seine dritte Ehefrau und nunmehrige Witwe, die aus Unterscheffach gebürtige Margarethe geb. Laidig (1623-1697). "Jacob Mehrers Wittib" ist in den Beetlisten ab 1663 als Besitzerin des Hauses zu identifizieren (keine Inventur vorhanden) (4/1926ff; S27).
1697: Aus dem Nachlass der am 16. September 1697 verstorbenen Margaretha Mehrer geb. Laidig kommt das Haus offenbar an ihren Sohn, den Ziegler Friedrich Mehrer (1660-1759) (S27).
1726: Friedrich Mehrer, Bürger, Ziegler und Herrenarbeiter, verkauft seine Behausung in der Gelbinger Gasse beim Tor zwischen Gabriel Schlenk und Augustin Rögers Wittib am 11. Januar 1726 für 240 Gulden an Reinhard Friedrich Krämer, Grabenreiter im Amt Kocheneck (4/678, Bl. 68).
1740: Am 17. November 1740 verkauft Reinhard Friedrich Krämers Witwe, nunmehr Ehefrau des Bürstenbinders Gabriel Friedrich Döttinger, das Anwesen an Nikolaus Heinrich Schrot, Grabenreiter im Amt Schlicht (4/1544, Bl. 592v).
1767: Das Haus geht am 4. Oktober 1767 für 475 Gulden an den Beisitzer Johann Georg Schilling (4/1544, Bl. 592v).
1776: Neuer Besitzer des Hauses wird der Bäcker Andreas Friedrich Dierolf, der es am 24. Juli 1776 für 441 Gulden erwirbt (4/1544, Bl. 592v).
Anmerkung: ab 1779 ist das Haus auf zwei Teile (ein Drittel und zwei Drittel) aufgeteilt, deren Besitzergeschichte zwecks besserer Übersichtlichkeit separat aufgelistet wird:
ein Drittel (im unteren Stock)
1779: Andreas Friedrich Dierolf verkauft am 3. Juli 1779 ein Drittel des Hauses für 200 Gulden an Maria Catharina, Jakob Mulfingers Wittib (4/1544, Bl. 592v).
1789: Der Schneidermeister Johann Friedrich Leonhard Engel kauft am 20. Februar 1789 den "untern Theil" des Hauses für 285 Gulden (4/1544, Bl. 592v).
1794: An die Stelle Engels als Besitzer des unteren Teils tritt durch Kauf am 1. September 1794 der "Mousquetier" (Musketier = Soldat) Georg Leonhard Bauer, der dafür 230 Gulden bezahlt (4/1544, Bl. 592v).
1802: Der untere Teil geht am 19. Februar 1802 für 300 Gulden von Georg Leonhard Bauer an dessen Sohn Georg Leonhard Bauer jun., ebenfalls Musketier, später "Einbrenner" (Heizer) im Rathaus (4/1544, Bl. 592v).
1827: Im Primärkataster werden die Kinder des Georg Leonhard Bauer, gewesenen Rathaus Einbrenners, als Besitzer des Drittels genannt.
- Lücke in der Besitzergeschichte -
1841: Der Drittelanteil von Andreas Sillers Witwe (im unteren Stock eine Stube, Küche, Hinterkammer, die vordere Holzkammer, ein Privet sowie das Recht, in dem gemeinschaftlichen Tennen eine Stubenkammer einzurichten) geht an David Straub, Fabrikarbeiter in Untertürkheim (s. auch Kaufbuch Bl. 328).
1845: David Straub verkauft seinen Hausanteil von einem Drittel an den Schmalzhändler Michael Brucker (s. auch Kaufbuch Bl. 166).
1855: Schmalzhändler Brucker verkauft das ihm gehörende Drittel am Haus an Friedrich Renner (s. auch Kaufbuch 8, Bl. 164)
1891: Das bislang Renner'sche Drittel am Haus wird an den Taglöhner Friedrich Stimpfig verkauft (s. auch Kaufbuch 38, S. 139).
zwei Drittel (im mittleren und oberen Stock)
1783: Der Beisitzer und Maurer Johann Philipp Haas kauft den zuvor dem Bäcker Andreas Friedrich Dierolf gehörenden "obern Theil" des Hauses am 26. Mai 1783 für 350 Gulden (4/1544, Bl. 592v).
1788: Johann Philipp Haas erwirbt am 11. April 1788 einen weiteren Anteil des Hauses für 260 Gulden und ist damit Besitzer von drei Vierteln (4/1544, Bl. 592v).
1810: Georg Michael Sommer kauft den Hausanteil des Johann Philipp Haas am 5.Dezember 1810 für 425 Gulden (4/1544, Bl. 592v).
1816: Der zwei Drittel am Haus umfassende Anteil des Georg Michael Sommer wird am 16. Februar 1816 für 430 Gulden an den Gradierwärter Johann Michael Gebhard veräußert (4/1544, Bl. 592v).
1833: Michael Gebhardt verkauft seinen Zweidrittelteil des Hauses (ein halber Keller, zu ebener Erde ein verschlossenes Holzlager, ein Schweinestall, der gemeinschaftliche Tennen und die ganze Dungstätte, im mittleren Stock eine Stube, Stubenkammer, Küche, Stüble, Stubenkämmerle, ein Privet, im oberen Stock eine Stube und zwei Kämmerlein, der ganze Dachboden) an den Beisitzer Lorenz Sommer (s. auch Kaufbuch Bl. 208).
1833: Lorenz Sommer erwirbt die andere Hälfte des Hauskellers von Michel Leypold (s. auch Kaufbuch Bl. 209b)
1854: Lorenz Sommer verkauft seine zwei Drittel am Haus an den aus Suhlburg stammenden Lorenz Lehr (s. auch Kaufbuch Bl. 53b).
1869: Nach dem Tod des Lorenz Lehr fallen seine zwei Drittel am Haus an seine Witwe und Alleinerbin (s. auch Realteilung).
1876: Die zwei Drittel aus dem Vorbesitz des Lorenz Sommer werden von Lorenz Lehrs Witwe an den Taglöhner Adam Wieland veräußert. Wieland ist noch 1900 Besitzer des Hausanteils, als dieser in das Grundbuch umgeschrieben wird (s. auch Kaufbuch 23, S. 60).
Beschreibungen
historische Beschreibungen:
1717/18 (Unterpfandsbuch Vorstädte): „in der Gelb[inger] Gaßen. Behaußung. Ein Wohnhauß, taxirt ad 225 fl. Ererbt. Gültet L[öblicher] Reichalmoßenpfleeg 13 ß.“ (4/1544, Bl. 592v).
1726 (Verkauf an R. F. Kämer): „seine beseßene Wohnbehaußung in Gelbinger Gaßen nächst am Thor zwischen Gabriel Schlencken, Rothgerbers, und Augustin Rögers seel[igen] Grabenreiters Wittib Häußern gelegen, welche Behaußung jährlich auf Martini in löbl[iche] Reich Allmoßen Pfleeg 13 ß Vorgeld gültet, sonsten aber gantz frey, ohnversetzt und ohnverpfändet eigen ist [....] Wobey aber dießes zu wißen nothwendig, daß Kauffer Krämer die zwischen der Grabenreuterin Rögerin und seinem Hauß befindlichen Tach Rinnen wie auch dene zwischen sein und des Gerbers Schlencken Hauß befindl[ichen] Winkel mit dießen beeden Nachbarn gemeinschafftlich habe und zu erhalten hat.“ (4/678, Bl. 68)
1827: Wohnhaus mit 9,3 Ruten, Hof 1,4 Ruten, insgesamt 10,7 Ruten Grundfläche in der Heilbronner Straße
Beschreibungen in den Denkmallisten:
Das zweigeschossige, giebelständige, verputzte Fachwerkwohnhaus, dessen rückwärtiger Teil auf der Stadtmauer errichtet wurde, kann ins 16./17. Jh. datiert werden. Das ursprüngliche Erscheinungsbild eines Haller Wohnhauses aus dem Spätmittelalter wid hier anschaulich: Kellereingang, die seitlich angeordnete Haustür und Erdgeschossfenster, darüber ein kräftiger Vorstoß mit einer markanten Knagge als Merkmale eines Fachwerkwohnhauses jener Zeit. Auch rückseitig, zum ehemaligen Graben hin, vermittel das Haus mit Stadtmauer einen ursprünglichen Eindruck. - Teile der mittelalterlichen Stadtmauer. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 185)
Gelbinger Gasse 86 (Flst.Nr. 0-612/4). Zweigeschossiges, giebelständiges Fachwerk-Wohnhaus, 16./ 17. Jahrhundert. Teil der Sachgesamtheit "Stadtbefestigung" - siehe Badtorweg 10. § 2. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)
Besonderheiten
Der Fall M.
Am 4. Mai 1976 wird im Erdgeschoss des Hauses Gelbinger Gasse 86 die 39 Jahre, alte, alleinstehende und erwerbslose Asta Inge M. tot aufgefunden. Eine Untersuchung ergibt, dass sie wahrscheinlich erstickt ist bzw. wurde. Weiterhin stellt man fest, dass sie stark alkoholisiert war. Im Zusammenhang mit der Tat wird der 20 Jahre alte Karl-Heinz S. verhaftet und muss sich am 26. bis 28. Februar 1977 in einem Mordprozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Heilbronn im Schwäbisch Haller Amtsgerichtsgebäude verantworten. Er hat sich in der fraglichen Nacht bei Asta Inge M. aufgehalten, von der behauptet wird, dass sie ihren Lebensunterhalt als Gelegenheitsprostituierte aufgebessert habe. Im Lauf des Verfahrens lässt die Staatsanwaltschaft den Mordvorwurf fallen und plädiert auf Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge. Das Gericht spricht Karl-Heinz S. jedoch trotz "bestehen gebliebener Verdachtsmomente" mangels Beweisen frei.
Quellen
Literatur:
- Haller Tagblatt v. 5.5.1976, 27.-29.1.1977 (Todesfall und Prozess zu Fall M.)
- Gerd Wunder, Georg Lenckner: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395-1600 (Württembergische Geschichtsquellen; Bd. 25); Stuttgart; Köln 1956, S. 341 Nr. 1177 (J. Butz); Nr. 4003 (D. Horch)
Archivalien:
- StadtA Schwäb. Hall 4/655 (Kaufbuch 1586-1614), Bl. 312 (Verkauf Gelb. G. 88 an J. Schmidt)
- StadtA Schwäb. Hall 4/656 (Kaufbuch 1601-1662), Bl. 77v (Verkauf an A. Mehrer)
- StadtA Schwäb. Hall 4/678 (Kaufbuch 1724-1727), Bl. 68 (Verkauf an R.F. Krämer)
- StadtA Schwäb. Hall 4/1544 (Unterpfandsbuch Vorstädte 1717/18ff), Bl. 592v
- StadtA Schwäb. Hall 4/1880 - 4/1933 (Beetlisten 1573/74 - 1682)
- StadtA Schwäb. Hall 19/829 (Güterbuch 4), S. 189 (D. Traub)
- StadtA Schwäb. Hall 19/829 (Güterbuch 4), S. 185 (L. Sommer)
- StadtA Schwäb. Hall 19/835 (Güterbuch 10), S. 564 (M. Brucker)
- StadtA Schwäb. Hall 19/837 (Güterbuch 12), S. 186 (F. Renner)
- StadtA Schwäb. Hall 19/842 (Güterbuch 17), S. 371 (A. Wieland)
- StadtA Schwäb. Hall 19/844 (Güterbuch 19), S. 615 (F. Stimpfig)
- StadtA Schwäb. Hall S27 (Genealog. Kartei)