Haller Häuserlexikon – Besitzerliste 1827
Gelbinger Gasse 78
Primärkatasternummer: 333
Besitzer: 1827
Häfner, Ludwig Heinrich, Seiler
Besitzerliste
1579: Ein das Nachbarhaus (heute Gelbinger Gasse 80) betreffender Vertrag vom 8. Februar 1579 über dessen Verkauf an den Hutmacher Michel Dürr nennt Lienhard Schnecks Witwe und Lienhard Grün als Anlieger. Bei letzterem dürfte es sich vermutlich um den frühesten derzeit identifizierbare Besitzer des heutigen Hauses Gelbinger Gasse 78 handeln (4/653, Bl. 29r). Der "Überreiter" (Bote) des Spitals Lienhard Grün (†1617) wird seit 1577 als Bewohner der Gelbinger Gasse genannt und findet letztmalig in der Beetliste von 1617/18 als Anwohner beim Gelbinger Tor Erwähnung. Da ein weiterer Kaufvertrag zum Nachbarhaus ebenfalls Lienhard Grün als Anwohner nennt, kann die Zuordnung als relativ sicher gelten.
Anmerkung: In zwei undatierten, relativ eindeutig das Nachbarhaus (heutige Gelbinger Gasse 76) betreffenden Kaufverträgen von etwa 1612/13 und 1621 (1612/13 verkauft Michel Dirr eine Behausung an seinen Schwager Bernhard Geyer, 1621 verkauft Bernhard Geyer seine Behausung an Caspar Dirr) werden David Könbronners Witwe und Hans Webers Witwe als Nachbarinnen genannt (4/656, Bl. 59r u. 100v). Da Hans Webers Witwe relativ eindeutig Besitzerin der heutigen Gelbinger Gasse 74-74/1 war, ist es naheliegend, David Könbronners Witwe der heutigen Nr. 78 zuzuordnen. Margaretha Weber heiratete 1590 den Holzmesser David Kühnbronner (oder: Kühnbrenner, Kühnbrunner, Kühnbronner, Konbrunner usw.) und hatte mit diesem 14 Kinder, von denen ein Sohn und sechs Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Sie starb 1635 im Alter von 78 Jahren (S27). Allerdings passt Margarethe Kühnbrunner nicht in die Besitzerreihe der heutigen Gelbinger Gasse 78, da es keinen erkennbaren Bezug zu Lienhard Grün und dessen Söhnen gibt (weder über einen Kauf oder eine Verwandtschaft). In den Beetlisten wird "David Könprunner" von 1597/98 bis 1613/14 in der Rubrik "Rott" für Bürger ohne Hausbesitz aufgeführt, danach seine "Wittib" bis 1633 (4/1886 - 4/1901). Demzufolge kommt das Ehepaar nicht als Besitzer des Hauses in Frage. Warum Margaretha Köhnbronner trotzdem in den beiden Verträgen als Anwohnerin genannt wird, ist nicht erkennbar. Möglicherweise wohnte sie zur Untermiete im Haus, was aber nicht erklärt, warum auf sie und nicht auf den Hauseigentümer verwiesen wurde.
ab 1651: Der Taglöhner Hans Jörg Grün (ca. 1608-1680) (auch: Grüen), wird ab 1651 (nach einer Lücke) in den Beetlisten genannt. Ein (ungefähres) Datum des Erwerbs ist nicht feststellbar, da ein Kaufvertrag nicht auffindbar war und die Beetlisten zwischen 1633 und 1651 verloren gegangen sind. Er hat das Haus vermutlich von seinem Vater Lienhard Grün (†1617) oder seinem älteren Bruder Hans Grün (†1637) geerbt oder erworben.
1681: Der Leinenweber Balthas Auerhammer (1622-1706) erwirbt das "geringe" Häuslein beim Gelbinger Tor zwischen Hans Thomas Dürr, Laistschneider, und der sog. Pop Anna, Witwe, für 100 fl aus dem Nachlass des am 3. November 1680 verstorbenen Taglöhners Hans Georg Grün. Da sich nach dem Abschluss des Verkaufs herausstellt, dass das Haus mit einer Gült von jährlich 5 Schilling an das Amt Schlicht belastet ist, werden ihm 10 Gulden vom Kaufpreis nachgelassen (14/1213).
1706: Nach dem Tod von Balthas Auerhammer am 30. Juni 1706 geht das Haus offenbar an seine aus Kirchberg stammende dritte Ehefrau und nunmehrige Witwe Sophie Marie Auerhammer geb. Stadtmüller (1662-1739) (S27).
1708: Sofie Marie Auerhammer geb. Stadtmüller bringt das Haus in ihre zweite, am 30. August 1709 geschlossene Ehe mit dem Schuster Georg Friedrich Blinzig (1686-1709) ein. Dieser stirbt allerdings bereits im folgenden Jahr am 30. Agust 1709 an der "Dörrsucht" (S27, Ancestry).
1711: Sophie Marie Blinzig geb. Stadtmüller bringt ihren Besitz in ihre dritte, am 1. Februar 1711 geschlossene Ehe mit dem Schuster Johann Leonhard Hüfner [oder: Haffner] ein, einem Sohn des Johann Caspar Hüfner, Bürger und Bader im Weiler (Lebensdaten nicht bekannt). Die Ehe bleibt kinderlos, Sofie Marie wird darüber hinaus um 1724 von ihrem Ehemann "boßhafftig verlassen." Sie lebte, so ihr Nekrolog, "zwar in Armuth, doch aber christlich und nährte sich, so gut es seyn konnte." (S27, Ancestry).
1739: Nach dem Tod der Sophie Marie Hüfner geb. Stattmüller am 29. Mai 1739 kommt das Haus in den Besitz des Rotgerbers Georg David Wenger (1700-1785) (S27) (4/1544, Bl. 591v).
Anmerkung: ab 1739 ist das Haus auf bis zu drei Teile aufgeteilt (oberer Teil, unterer Teil, Keller), deren Besitzergeschichte zwecks besserer Übersichtlichkeit separat aufgelistet wird:
oberer Teil:
1739: Der Metzger Johann Christoph Franck und der Küfer Georg Michael Dötschmann erwerben am 19. Februar 1739 eine Hälfte des Hauses, und zwar den oberen Teil, für 50 Gulden (4/1544, Bl. 591v).
1742: Johann Christoph Frank erwirbt den Anteil des Georg Michael Dötschmann an der oberen Hälfte des Hauses für 90 bar bezahlte Gulden (4/1544, Bl. 591v).
1766: Die ledige Magdalena Elisabetha Dietrich erwirbt die obere Haushälfte am 7. Januar 1766 für 240 Gulden (4/1544, Bl. 591v).
1766: Neuer Besitzer des oberen Hausteils wird der Seiler Georg David Sieber, der ihn am 22. Oktober 1766 für 264 Gulden kauft (4/1544, Bl. 591v).
unterer Teil:
1739: Georg David Wenger verkauft den unteren Teil des Hauses am 15. Februar 1750 für 50 Gulden an den Herrenknecht Hans Michael Küstner (4/1544, Bl. 591v).
danach: nach dem Tod Küstners wird dessen Hausanteil von seiner Witwe übernommen.
1767: Der Hausanteil geht am 9. Februar 1767 für 100 Gulden an den Sohn Johann Jakob Küstner, Pflästerer (4/1544, Bl. 591v).
1771: Der Seiler Georg David Sieber (1734-1783), dem seit 1766 bereits der obere Teil des Hauses gehört, kauft am 20. Februar 1771 für 200 Gulden den unteren Teil des Hauses (4/1544, Bl. 591v).
Keller:
1748: Johann Jakob Bölz erwirbt den Keller unter dem Haus am 31. Oktober 1748 für 110 Gulden (4/1544, Bl. 591v).
1764: Der Keller wechselt am 20. November 1764 für 170 Gulden in den Besitz des Spitalmüllers Georg Christoph Nipp (4/1544, Bl. 591v).
1772: Am 27. Oktober 1772 kauft Georg David Sieber für 175 Gulden den unter seinem Haus gelegenen Keller und ist damit alleiniger Besitzer des gesamten Anwesens (4/1544, Bl. 591v).
ganzes Haus:
1783: Nach dem Tod von Georg David Sieber am 5. August 1783 geht das Anwesen an seine (seit 1777) zweite Ehefrau und nunmehrige Witwe Christina Margaretha Sieber geb. Gentner (1750-1726) (S27; Ancestry; 4/1544, Bl. 591v).
1784: Christina Margaretha Sieber geb. Gentner bringt ihren Besitz in ihre am 9. März 1784 geschlossene zweite Ehe mit dem Seiler Johann David Haaf (1755-1791) ein (S27)
1791: Christina Margaretha Haaf geb. Gentner wird durch den Tod ihres Ehemanns Johann David Haaf am 25. April 1791 zum zweiten mal Witwe (S27)
1792: Christina Margaretha Haaf geb. Gentner heiratet am 10. Januar 1792 den Seiler Jakob Ulrich Maier (1766-1821) und geht damit ihre dritte Ehe ein (S27)
1823: Laut Vertrag vom 4. Juli 1823 von Jakob Ulrich Maier an den Seiler Johann Christoph Soldner (1797-1828) verkauft (4/1544, Bl. 591v).
1828: Nach dem Tod Johann Christoph Soldners der Witwe Susanna Rebecca Soldner geb. Belles (1788-1844) zugefallen (Ancestry)
1830: Susanna Rebecca Soldner geb. Belles (1788-1844) bringt das Haus als Ehefrau-Beibringen in ihre zweite, am 7. August 1830 geschlossene Ehe mit dem Seilermeister Johann Ludwig Heinrich Häfner (1800-1859) ein (Ancestry; 19/829, S. 163).
1844: Nach dem Tod der Susanna Rebecca Soldner geb. Belles am 13. März 1844 geht das Haus offenbar je zur Hälfte an Conrad Friedrich Soldner (1826-1915) und Georg Friedrich Soldner (1824-1894), Söhne aus der ersten Ehe der Verstorbenen mit dem Seiler Johann Christoph Soldner (Ancestry; 19/829, S. 163).
1849: Georg Friedrich Soldner setzt sich durch den Kauf der seinem Bruder gehörenden Haushälfte in den Besitz des ganzen Hauses (s. auch Kaufbuch Bl. 30b).
1850: Georg Friedrich Soldner verkauft das Haus vor seiner Auswanderung in die USA an den Seiler Ludwig Friedrich Engel (s. auch Kaufbuch Bl. 116)
1879: Das Haus wird von Ludwig Friedrich Engels Witwe für 7.540 Mark an den Nagelschmied Georg Stutz verkauft (19/839, S. 163; s. auch Kaufbuch Bd. 26 S. 81).
1892: Georg Stutz verkauft das Haus für 12.750 Mark an den Schreiner Michael Noller und seine Ehefrau Amalie geb. Scheuermann (19/845, S. 23; s. auch Kaufbuch Bd. 37 S. 311).
Beschreibungen
historische Beschreibungen:
1680/81 (Inventur des Hans Georg Grüen): „Erstlich ist vorhanden eine geringe Behausung bey dem Gelbinger Thor, zwischen Hans Thoma Dürren, Burgern, vorgenandt, und der so genannten Pop Anna, Wittibn, Hauß und Scheuren, die ist Baltas Aurhamer, Leineweber undt Mezgern, für gülltfrey pro 100 fl zu kauffen geben worden. Weil sichs aber nach geschlossenem Kauff eröffnet, daß solche mit 5 ß jährlichen Vorgeld ins Ambt Schlicht verhafftet, derowegen wider ufgesagt; dahero ihme uf gütlichen Vergleich die Erben angedachtem Kaufschilling 10 fl nachgelassen, seind allso mehr nicht an zuesetzen als 90 fl.“ (14/1213)
1717/18 (Unterpfandsbuch Vorstädte): „in der Gelbinger Gaßen. Behaußung. Ein Wohnhaußle, taxirt a 200 fl. Erkaufft 1681 pro 90 fl. Gültet 5 ß ins Ambt Schlicht.“ (4/1544, Bl. 591v)
1827: Wohnhaus mit 12,9 Ruten, Hof 0,9 Ruten, insgesamt 13,8 Ruten Grundfläche in der Heilbronner Straße
Quellen
Literatur:
- Gerd Wunder u. Georg Lenckner: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 - 1600 (Württembergische Geschichtsquellen; Bd. 25), Stuttgart 1956, Nr. 3074 (Lienhard Grün)
Archivalien:
- StadtA Schwäb. Hall 4/653 (Hauskaufprotkolle 1575-1600), Bl. 29r (Verkauf an Michel Dürr [Gelbinger Gasse 80])
- StadtA Schwäb. Hall 4/655 (Hauskaufkontrakte und Jahrzieler 1586-1614), Bl. 101v (Verkauf an Georg Dürr [Gelbinger Gasse 80])
- Schwäb. Hall 4/1544 (Unterpfandsbuch Vorstädte 1717/18ff), Bl. 591, 591b
- Schwäb. Hall 4/1545 (Häuserbuch 1712), Bl. 234
- Schwäb. Hall 4/1886 - 4/1933 (Beetlisten 1597/98 - 1682)
- StadtA Schwäb. Hall 14/1213 (Inventur des Hans Georg Grüen, 1680/81)
- StadtA Schwäb. Hall 19/829 (Güterbuch 4), S. 163 (L. H. Hafner)
- StadtA Schwäb. Hall 19/839 (Güterbuch 14), S. 163 (G. Stutz)
- StadtA Schwäb. Hall 19/845 (Güterbuch 20), S. 23 (M. Noller)
- StadtA Schwäb. Hall S27 (Genealog. Kartei)