Haller Häuserlexikon – Besitzerliste 1827
Am Markt 2 - sog. "Münzmeisterturm" oder Clausnizerhaus
Primärkatasternummer: 46
Besitzer: 1827
Maier, Bernhard, Adlerwirt
Besitzerliste
1581/82 - 1603/04: Anhand der Beetlisten (Bürgersteuerlisten) und mehreren das Nachbarhaus Obere Herrngasse 1 betreffenden Verträgen (u.a. StadtA Schwäb. Hall 4/784, fol. 64R) lässt sich nachweisen, dass Michel Bechstein Besitzer des Hauses ist. Michel Bechstein selbst wird letztmals 1601/02 erwähnt, im Jahrgang 1603/04 sind "Michel Bechstains Erben" als Steuerzahler genannt.
1605/06 - 1617: Die Beetlisten und ein Kaufvertrag über das Nachbarhaus Obere Herrngasse 1 (StadtA Schwäb. Hall 4/656, fol. 22R-23R) ermöglichen es, den Ratsherren Sebastian Thumas (auch: Thomas oder Thumaß) als Besitzer des Anwesens zu identifizieren.
1619: Die "Eckbehausung auf dem Markt" wird aus dem Nachlass des 1618 verstorbenen Sebastian Thumas für 2.500 Gulden und weitere 30 "Goldgülden" Weinkauf an den Stättmeister Johann Beurlin verkauft.
1623/24 - 1633: Ausweislich der Beetliste für 1623/24 (4/1879, fol. 1v) wohnt im heutigen Clausnizerhaus Johann Beurlins Sohn Johann Heinrich Beurlin, Äußerer Rat und Spitalschreiber. Stättmeister Beurlin selbst wird als wohnhaft im "Comberger Hauß" am Rosenbühl bezeichnet (Comburger Klosterhof, heute Haus Klosterstraße 5).Er hat das Haus am Markt offenbar rasch nach dem Kauf seinem Sohn überlassen. Johann Heinrich Beurlin ist hier bis zu seinem Tod 1631 wohnhaft, danach bleibt das Haus im Besitz seiner Witwe Anna Maria geb. Moser von Filseck, die in der Beetliste von 1633 als "Hanß Heinrich Beürlinß Witib" aufgeführt ist.
1634: Mit dem Tod der Anna Maria Beurlin geb. Moser von Filseck, der Witwe des Johann Heinrich Beurlin, fällt das Haus an ihre Erben, die Enkelin Anna Maria Virnhaber, die Tochter Anna Dorothea Möckel geb. Beurlin (Ehefrau des August Möckel), die Tochter Anna Euphrosina Osiander geb. Beurlin (Ehefrau des Dr. Johann Christoph Osiander), und den Sohn Johann David Beurlin. Es ist bislang unbekannt, wie die Erben mit dem Elternhaus verfahren. Ein (nicht dokumentierter) Verkauf an einen der Erben oder einen anderen Interessenten ist ebenso denkbar wie eine gemeinsame Fortführung des Besitzes. Augrund einer Lücke in den Beetlisten zwischen 1633 und 1651 fehlen Quellen, die es erlauben würden, diese Frage zu beantworten.
1651: Anhand der Beetlisten (Bürgersteuerlisten) ist ab 1651 der Ratsherr und spätere Stättmeister Georg Friedrich Seifferheld (1613-1686) als Besitzer des Hauses nachweisbar. Aufgrund der erwähnten Lücke in den Beetlisten zwischen 1633 und 1651 lassen sich aus den Beetlisten keine Hinweise zum Zeitpunkt des Erwerbs ableiten. Späteren Verweisen auf nicht mehr existierende Kaufverträge zufolge (s. unten bei "Beschreibungen", Eintr. 1761) könnte Seifferheld das Haus 1647 gekauft haben.
1657: Das Haus befindet sich zufolge der Inventur über das Vermögen der Margaretha Stadtmann, Besitzerin des Nachbarhauses (heutige Klosterstraße 11) weiterhin im Besitz des Stättmeisters Georg Friedrich Seifferheld.
1677: Inzwischen ist (wiederum laut einer das Nachbarhaus Klosterstraße 11 betreffenden Inventur) Ratskonsulent Dr. Heinrich Sibäus vom Jemgumer Closter, der Schwiegersohn von Georg Friedrich Seifferheld, Eigentümer des Hauses. Er hat es vermutlich seit seiner Eheschließung am 28. Mai 1661 mit Susanna Praxedis Seifferheld, einer Tochter von Georg Friedrich Seifferheld, zumindest bewohnt. Ein weiterer Verweis auf das Haus betreffende Kaufverträge (s. unten bei "Bschreibungen") nennt einen solchen von 1669. Möglicherweise markiert dieses Datum den endgültigen Besitzübergang von Seifferheld zu seinem Schwiegersohn.
1710: Aus dem Nachlass der Susanna Praxedis geb. Seifferheld, der Witwe des Ratskonsulenten Heinrich Sibäus vom Jemgumer Closter, wird das Haus am Markt für 2.100 Gulden je zur Hälfte an den Sohn, Ratskonsulent Dr. Johann Lorenz vom Jemgumer Closter, und an den Schwiegersohn, Stadtschultheiß Johann Nicolaus Schragmüller, Ehemann der Tocher Maria Magdalena, verkauft.Bis 1717 hat Johann Lorenz vom Jemgumer Closter den Schragmüller'schen Anteil gekauft und ist damit alleiniger Eigentümer des Hauses.
1761: Nach dem Tod des Stättmeisters Johann Lorenz vom Jemgumer Closter wird das Haus für 3.000 Gulden aus der Erbmasse verkauft. Es geht je zur Hälfte an den Ratsherrn Johann Friedrich Textor, Ehemann der Susanna Maria geb. vom Jemgumer Closter (eine Tocher des Verstorbenen), und an Anna Marie vom Jemgumer Closter geb. Döllin, die Witwe des Sohns Friedrich Lorenz.
1766: Susanna Maria Textor geb. vom Jemgumer Closter bringt ihren Hausanteil nach dem Tod ihres ersten Ehemannes Johann Friedrich Textor in ihre zweite Ehe mit dem Steuerherr Johann Andreas Frank ein.Der Ehevertrag schreibt ein lebenslanges Wohnrecht des jeweils überlebenden Ehepartners im Haus fest. Susanna Marias Vetter, der "Steuer-Secretarius" Closter, erhält ein Vorkaufsrecht an der Haushälfte zugesprochen, für die er 1.500 Gulden bezahlen soll.
1773: Nach dem Tod der Susanna Maria Franck, verw. Textor, geb. vom Jemgumer Closter geht ihr in ihre zweite Ehe eingebrachter Hausanteil an ihren Witwer Johann Andreas Franck, dem im Ehevertrag ein lebenslanges Nutzungsrecht zugesprochen wurde.
1779: Die Erben der Anna Marie vom Jemgumer Closter geb. Döllin, Witwe des Friedrich Lorenz vom Jemgumer Closter, der Innere Rat Friedrich Gottlob vom Jemgumer Closter, der Innere Rat Johann Ernst Glock und Carl Moritz Hoffmann, Pfarrer zu Gelbingen, letztere im Namen ihrer Ehefrauen, verkaufen die "obere Halbscheid" des Hauses am 18. Februar 1779 für 1.600 Gulden an Maria Rosina Wibel, Witwe des Johann Joseph Franz Wibel, Amtsvogt zu Vellberg und Tochter des Johann Lorenz vom Jemgumer Closter.
1783: Nach dem Tod von Stättmeister Johann Andreas Franck fällt der von ihm genutzte Anteil am Haus an die Erben seiner 1773 verstorbenen vierten Frau Susanna Maria Frank verw, Textor geb. Closter. Diese verkaufen den ihnen gemeinschaftlich zugefallenen Hausanteil am 29. August 1783 für 1.600 Gulden an ihren Miterben, den Hospitalverwalter Johann Peter Churr, der mit Renate Elisabethe Katharine geb. Closter verheiratet ist, einer Nichte der Erblasserin (Tochter des Friedrich Lorenz v. Jemgumer Closter und der Anna Marie Braun).
1796: Nach dem Tod der Marie Rosine Wibel geb. vom Jemgumer Closter, Witwe des Vellberger Vogts Johann Josef Franz Wibel, wird deren Anteil am Haus, "der obere Stock vom Vorderhaus", am 29. August 1796 für 2.000 Gulden aus dem Nachlass an Friedrich Franz Erasmus Majer, Ratsherr und Amtmann über das Kocheck, verkauft. Dieser ist als Ehemann der Sofie Renate Sibille Wibel, einer Tochter der Erblasserin, ein Miterbe.
1798: Der Ratsherr Friedrich Franz Erasmus Majer erwirbt am 27. Oktober 1798 für 450 Gulden den Anteil des Stadtumgelters am Hinterhaus für 450 Gulden. Der Verkäufer lässt sich die Nutzung der Holzlege im untersten Stock, eine Kammer im 2. Stock und des Hühnerstalls im "Höflen" "ad dies vita" (auf Lebenszeit zusichern (Abschrift des Vertrags in 85/223).
1801: Friedrich Franz Erasmus Majer, zu diesem Zeitpunkt Stättmeister-Amtsverweser, kauft am 13. Januar 1801 auch den im Besitz von Oberstadtumgelter Johann Peter Churr befindlichen "untern Stock" des Hauses für 1.800 Gulden und ist damit dessen alleiniger Besitzer. Als Motiv für den Verkauf wird im Vertrag ausgeführt, dass Churr und seine Frau "bei ihrem herannahenden Alter die Beschwehrlichkeiten mit Kosten und Bau Reparaturen scheuen." Die Summer wird beglichen, in dem Majer 1.000 Gulden bar bezahlt, den Rest mit 5% verzinst. Von diesem Kapital werden jährlich 60 Gulden Miete abgezogen, da Churr beabsichtigt, weiter im Haus zu wohnen. Sollte Churr sterben, hat seine Witwe noch für ein halbes Jahr ein Wohnrecht im Haus (Abschrift des Vertrags in 85/223).
1806: Mit Kaufvertrag vom 5. Mai 1806 kauft Johann Peter Sandel, Apotheker, sen., das Haus für 6.000 fl. Der Vorbesizer Friedrich Franz Erasmus Majer behält lebenslängliches Wohnrecht in der von ihm bisher bewohnten Etage. Sandel wollte umbauen und erhält dafür von Majer die betroffenen Keller und Böden getauscht, insbesondere wurde die ganze Front an der Oberen Herrngasse im unteren Hausöhrn geräumt. Sollte Sandel das Haus weiterverkaufen, räumte er Stättmeister Majer in dem ihm ebenfalls gehörenden Döllinschen Haus eine Wohnung ein.
1827: als Besitzer im Primärkataster wird Bernhard Maier, Adlerwirt, genannt (offenbar als Vertreter der Sandelschen Erbengemeinschaft).
1829: Die sechs Kinder des verstorbenen alten Apothekers Johann Peter Sandel verkaufen am 10. Juni / 11. Juli 1829 für 3.200 Gulden die Hälfte des Hauses an ihre Schwägerin Susanna Margaretha Sandel, Witwe des Apothekers Johann Peter Sandel jun.. Im Kaufvertrag wird erwähnt, dass die Miterbin Adlerwirtin Lisette Mayer (Anna Elisabethha Majer geb. Sandel, eine Tochter J. P. Sandels) in der Erbteilung die Hälfte des Hinterhauses (PKN 51), das hinter der Apotheke in der Oberen Herrngasse lag, erhalten hat.
vor 1846: Das gesamte Haus kommt auf bislang nicht nachvollziehbare Weise (wahrscheinlich als Erbschaft, da in den Kaufbüchern kein Vertrag auffindbar ist) in den Besitz von Rechtskonsulent Carl Ludwig Bausch. Er gehört als Ehemann der Emilie, geb. Mayer, zu den Erben des Johann Peter Sandel sen.
1870: Emilie geb. Meyer, die Ehefrau des Rechtskonsulenten Bausch, verkauft das Haus mit Zustimmung ihres Ehemannes am 29. April 1870 für 13.000 Gulden und weitere 100 bar bezahlte Gulden "Schlüßel-Geld" an den Kaufmann Carl Clausnizer auf dem Rollhof. Als Datum des Besitzübergangs wird der Oktober 1870 fest gelegt, bis dahin behält sich das Ehepaar Bausch ein Wohnrecht vor. Das Faßlager in dem von der Verkäuferin benutzten Keller wird dem Käufer überlassen, ebenso die für die Schreibstube bestimmten Vorfenster, ein Herd sowie ein Waschkessel in der Waschküche.
1888: Der Privatier und frühere Kaufmann Karl Clausnizer verkauft das Haus am 30. April 1888 für 40.000 Mark an seinen Sohn, den Kaufmann Friedrich Clausnizer. Der Kaufschilling wird durch "Abrechnung" (Verrechnung mit Erbansprüchen) getilgt.
1904 gehört das Anwesen immer noch Friedrich Clausnizer und wird auf diesen in das (im Notariat geführte) Grundbuch umgeschrieben.
1914: Nach dem Tod von Friedrich Clausnizer ist das Haus im Besitz seiner dritten Ehefrau und Witwe Mathilde Clausnizer geb. Mack.
1932: Nach dem Tod der Mathilde Clausnizer am 20. Dezember 1932 an die drei Söhne bzw. Stiefsöhne Walter, Adolf und Fritz. Ein geplanter Verkauf des auf 50.000 Mark geschätzten Gebäudes kommt nicht zustande, weshalb es im Besitz der Erbengemeinschaft bleibt.
1949: Die Erben der Mathilde Clausnizer verkaufen das Haus an den Arzt Dr. Martin Kosa (GRP 1949, S. 227)
2012: Rudolf Bühler, Leiter der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, und Oberbürgermeister Pelgrim geben eine Vereinbarung bekannt, der zufolge die Stadt Schwäbisch Hall darauf verzichtet, ihr Vorkaufsrecht für das Clausnizerhaus in Ansproch zu nehmen. Bühler bringt das 2011 von Maria Kosa erworbene Anwesen in die neu zu gründende Stiftung "Haus der Bauern" ein. Zweck der Stiftung ist es, so die Satzung, "die indigenen und gesellschaftlichen Rechte der ländlichen Bevölkerung aus der Region Hohenlohe zu stärken durch Rechtsberatung und -vertretung, Renten- und Sozialberatung, Ausbildung und Erwachsenenbildung."
Aus den Adressbüchern:
1886: Fritz Clausnizer, Kaufmann; David Holch, Postmeister; Hermann Löhrl, Dr. med.
1890: Fritz Clausnizer, Kaufmann (Hauseigentümer); David Holch, Postmeister; Max Hüther, Filzfabrikant; Emma Jäger, Oberf. Witwe
1901: Fritz Clausnizer, Kaufmann (Hauseigentümer) und Inhaber der Firma C. Clausnizer, Strohhutmanufaktur; Rösle Holch, Postmeisterswitwe; Marie Clausnizer; Wilhelm Schmidt, Buchhalter
1906: Fritz Clausnizer, Kaufmann (Hauseigentümer); Marie Clausnizer, Privatiere; Adolf Kett, Bauwerkmeister
1910: Fritz Clausnizer, Kaufmann (Hauseigentümer); Helene Freifrau von Hügel, Witwe; Franz Eble, Regierungsbaumeister
1920: Mathilde Clausnizer, Privatiere, Witwe (Hauseigentümerin); Anna von Hügel, Privatierin; Dr. Adolf Herrmann, Oberamtsarzt
1932: Mathilde Clausnizer, Witwe (Hauseigentümerin); Adolf Clausnizer, Kaufmann; Emil Kratzmüller, Kaufmann; Lduwig Engelhardt, Obersteuerinspektor; Anna von Hügel, Rentnerin; Rudolf von Hügel, Oberstleutnant a. D.
1938: Wilhelm Bernhard, Ingenieur; Adolf Clausnizer, Kaufmann; Anna Hägele, Rentnerin; Anna von Hügel; Rudolf Freiherr von Hügel, Oberstleutnant a.D.; Margarethe Sand, Friseuse; Ernst Stoll, Ingenieur
1956: Frida Bauer, Hausgehilfin; Dr. J. M. Esser, Rechtsanwalt; Herta Gerhards, Hausfrau; Anton Grosch, Installateur; Cäcilie Grosch, Hausfrau; Franz Grosch, Eisenbahnarbeiter; Ilse Katharina Grotheguth, Puppenspielerin; Amalie Koppenhöfer, Hausfrau; Hermann Koppenhöfer, Kraftfahrer; Magda Kosa, Hausfrau; Dr. Martin Kosa, Arzt; Hildegard Krause, Sprechstundenhilfe; Maria Neumann, Hausfrau; Viktor Neumann, Seiler
Haustafel
Das breite „Clausnizerhaus“ besteht aus mehreren Baukörpern: einem staufischen, steinernen Wohnturm, zwei spätmittelalterlichen Fachwerkhäusern und einem alles vereinigenden, mächtigen barocken Giebel. In der Bruchsteinwand finden sich gotische Fensteröffnungen. Die Familie Clausnizer betrieb hier um 1900 eine „Strohhütefabrik“ – es war wohl eher eine Hutmanufaktur.
Befunde aus Bauforschung
Holzteile aus dem 14. und 16. bis 18. Jahrhundert. Dendrochronologisch datiert auf 1390, 1520, 1604, 1777/1778. (StadtA Schwäb. Hall BF 74)
Dendrochronolisch datiert: Dachwerk auf 1604; Bauteil Bergseite Gerüst auf 1520 +-10; Bauteil Talseite Gerüst auf 1390 +-10; Umbau Hofgiebel (Südseite) auf 1777/78. (BF Büro Lohrum/Bleyer)
Bemerkenswert: Im Inneren im 1. Obergeschoss ist ein Biforium wohl aus der Zeit um 1220/1230 erhalten.
Bei Bauarbeiten wurde 1955 im 1. Stock des Hauses "im nördöstlichen Zimmer" eine Bohlenwand entfernt, Bei einer genaueren Untersuchung stellte man 1956 fest, dass diese Wand mit Pergament beklebt und mit einem Gemälde versehen war. Das 3,50 breite und 2,80 m hohe, farbige Bild zeigt das Urteil des Salomo (nach 1. Könige 3,16-28) und wurde von Eduard Krüger auf die Zeit um 1530 datiert. Krüger rühmt den "sehr hohen" Rang der Malerei und vermutet einen "ausgezeichneten Meister" als Urheber. Die Bohlenwand mit dem Gemälde wurde vom Eigentümer zunächst der Kirchengemeinde St. Michael übergeben, die sie 1987 an die Stadt bzw. das Hällisch-Fränkische Museum weitergab.
Befunde aus Bauakten
1867: Kaufmann Clausnizer bittet, "ihm die Anbringung einer Staffel an dem gebrochenen Eck gegen die obere Herrengasse ... zu gestatten." Weiterhin erhält er die Genehmigung zum Einbau eines Schaufensters zum Marktplatz hin sowie zur Herstellung eines Magazins mit Zugang vom Marktplatz aus.
1875: Kaufmann Clausnizer lässt im "3ten resp. Dachstock" mehrere Zimmer ("unheizbare Gelasse") einrichten, Öfen auswechseln und eine bereits vorhandene Küche verlegen.
1891: Die Genehmigung zum Neubau eines "unbesteigbaren", von der Waschküche im Erdgeschoss ausgehenden Kamins wird beantragt.
1898: Abbruch zweier alter Kamine, die durch einen einzelnen neuen, vom Erdgeschoss aus aufgebauten Kamin ersetzt werden sollen.
1910: "Heizbarmachung" eines Zimmers im 1. Stock,
1913: Der Hauseigentümer Fritz Clausnizer lässt den Treppenaufgang vom 2. zum 3. Stock umbauen und kleinere Umbauten im 3. Stock vornehmen.
1913: Verbesserung der Abtrittanlage und Anbringung einer Fensteröffnung zur Oberen Herrngasse.
1914: Erstellung eines neuen Kamins.
1928: Aufstellung eines neuen Ofens im Erdgeschoss.
1932: Die Anbringung eines transparenten Leuchtschilds mit dem Hinweis "Reformhaus" wird bewilligt.
1936: Das Clausnizerhaus wird von einer Delegation der Stadtverwaltung besichtigt. Hierbei soll festgestellt werden, ob es sich für einen Ankauf zwecks Unterbringung des Stadtbauamts eignet.. Aufgrund der baulichen Gebenheiten ist das Haus aber "wenig geeignet."
1937: Der Hitlerjugend-Bann 122 sucht um die Genehmigung nach, am Haus einen Aushangkasten der HJ-Luftsportschar anbringen zu dürfen. Aus denkmalpflegerischen Gründen wird die Genehmigung verweigert.
1943: Umbau des Küchenkamins unter Bewilligung einer Ausnahme vom (kriegsbedingten) allgemeinen Bauverbot.
1953: Einbau einer vom Hinterhof zur Oberen Herrngasse her zugänglichen Garage im Erdgeschoss sowie Umbau eines bisherigen Abstellraums in drei Büroräume. Weitere kleinere Umbauten - u.a. eine Balkonaufbaus zum Hinterhof - erfolgen im 1. Stock.
1956: Dr. Martin Kosa lässt im zweiten Dachstock zwei Wohnungen einbauen, für die im Dach auf jeder Seite zwei Schleppgauben eingebaut werden. Bei weiteren Bauarbeiten wird im 1. Obergeschoss hinter einer hölzernen Zwischenwand ein 3,50 x 2,80 m großes Wandgemälde entdeckt, dass das Urteil Salomos zeigt.
1957-1958: Das Haus erhält einen direkten Anschluss an das städtische Dolennetz und wird mit Spülaborten ausgestattet.
1992: Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung zur Sanierung einer beschädigen barocken Stuckdecke im 2. Stock.
Beschreibungen
1619 (Inventur des S. Thumas): "Eine Eckhbehaußung uff dem Marckht. zwischen Herrn Stättmaister Wezeln [= Obere Herrngasse 1] und Herrn M. David Stadtman [= Klosterstraße 11] geleg[en], ist Herrn Stettmaister Beurlin verkaufft worden, sambt 30 rheinischen Goldtgülden den Kindern zum Weinkauff pro 2500 fl."
1634 (Inventur der A. M. Beurlin): "Die Behaußung uff dem Marckh"
1710 (Inventur der S. P. v. Jemgumer Closter): "Eine Behaußung auff dem Marckh, zwischen Herrn Pfarrer Schupparts zu Heylbronn Behaußung, hinten an Herrn Pfleeger Laccorn und andererseits an die Obere Herren Gaße stoßend, ganz gültfrey und von denen Herren und Frauen Erben dem Herrn Tochtermann Stadtschultheißen Schragmüller, und Herrn Johann Lorenz Closter U.J.Dri. überlaßen worden, weils baufällig vor 2100 fl."
1761 (Inventur J. L. v. Jemgumer Closter): "Eine Wohnbehaußung auf dem Marckt samt aller Zugehör zwischen der verwittibten Frau Stadtschreiber Schäffnerin Behaußung und der obern Herrn-Gaßen, Laut vorhandener Brieffe von 1604, 1620, 1647, 1669."
1779 (Verkauf an M. R. Wibel): "Ihre von ihren wohl seel. Eltern und resp. Schwieger Eltern mit einander ererbte obere Halbscheid an einem auf dem Markt zwischen der ... Frau Geheime Döllinin Hauß auf der einen und der obern Keck oder Herrn Gaßen gelegenen gültfreyen Behaußung.
Zu dieser verkaufteb obern Helftte gehöret:
Das ganze 2te Stokwerk, bestehend in einer Wohnstuben,Stubenkammer, Saal, Saal-Stuben, Küchele, Stüblen, Küchen neben der Altane, die gemeinschaftl. und das auf ebendieser Etage im hintern Hauß befindl. c.v. Privet.
Im 3ten Stokwerk eine Stuben sammt 3 großer Kammern, im 1ten großen Fruchtboden die Helffte gegen das Stellwägische Hauß, und so auch in denen beeden obern Böden,
ferner im Bronnenhöflen, welches nebst dem Bronnen gemeinschafftl. zu gebrauchen, noch weiters der Plaz an des Schneider Schusten Hauß zur Holz Leeg im untern Höflen, welches ebenfalß nebst dem Waschhauß gemeinschafftl. ist, das kleine Schwein Ställen nebst dem Hüner Stall, im Thennen das Keller Gewölb an der Stiegen, das so genannte Apotheker Stüblen.
Weiters der vordere Theil des Haubt Kellers, doch daß der jedesmalige Besizer der untern Helffte seine Faß auf dieser großen Stafel aus und einthun dürfe, dann die vorderste Holzleeg.
Den Haubtbau samt dem Gemäuer Werck, Tach, Steegen, Thennen und was sonsten gemeinschafftlich betretten wird, haben beede Hauß Theile auch gemeinschafftl. zu erhalten."
1783 (Verkauf an J. P.Churr): "Ihre aus gedachter Fränckischen Verlassenschaft mit einander ererbte untere Helfte des ehemalig Closter[schen], gültfreyen Haußes, so auf dem Marckt zwischen der verwittibten Frau Geheimin Döllinin Wohnhauß und dr obern Herrn oder so genannten Kecken Gassen gelegen."
1827: Wohnhaus samt Anbau mit 39,4 Ruten Auf dem Markt
1842 (Güterbuch, Bd. 3): "39,4 Rthn VIII 46 Eub dreistokigtes Wohnhaus am markt, neben der Herrengasse und Gerichts-Assessor Ludwig Blezinger, mit steinernem Stok u. gewölbtem Keller.
B.V.A., [Steueranschlag] 10.000 fl
2,9 Rthn Oeconomie-Gebäude gubter denselben, Altane u. Holz-Remise
12,9 Rthn (incl. 0,6 Rthn Mauer) Hofraum, worinn sich ein laufender Brunnen befindet, der aus der städtischen Rohrfahrt sein Wasser erhält."
Angaben zum Brunnen: Der Brunnen, der im Hofraum des Hauses PKN 52 [= Obere Herrngasse 1] liegt, das sich gegenwärtig im Eigentum des Kaufmanns Eberhard Sandel befindet, ist mit diesem gemeinschaftlich. Die Leitung zu dem im Hofraum des Hauses PKN 46 stehenden Brunnen geschieht jedoch auf Kosten des Eigentümers desselben.
An diesem Brunnen benützt Miteigentümer Bausch zwar für jetzt nur das Abwasser, hat sich aber die Leitung des ihm als früheren Eigentümer des oberen Höflen zwischen Sandels und Blezingers Haus zugestandenen Wassers aus der abgeteilten Röhre durch dieses Höflen in seinen Waschhausbrunnen vorbehalten.
Ferner wird zur Wahrung seiner Rechte bemerkt: dass auf seinem gegenwärtigen Hofraum ein Wohnhaus stand, das mit seinem Hauptgebäude zusammenhing, die ganze Höflenswand gegen Blezingers Haus und das obere Höfle zur Hinterwand und an Sandels (vormals Hänles) Haus die noch bestehende Grundmauer als gemeinschaftliche Seitenwand bis zum Hoftor hin hatte. Dieses Hinterhaus mit Stallungen, Holzremise, Wohnung und Böden aber in Folge des im Jahr 1836 ausgebrochenen Brandes abgebrochen wurde. Dass zwar Sandel unter Wiederbenützung jener gemeinschaftlichen Grundmauer wieder auferbaute und auch von dieser Seite ein Fenster anbrachte, jedoch so wenig als Blezinger, welcher gegen das obere Höfle ein Fenster weiter einrichten ließ, ein Recht gegen das Höherbauen oder auf Luft und Licht oder Aussicht oder auch auf Trauf- und Winkelrecht erwarb, daher auch diese Besitzer gegen einen von Bausch oder seinen Nachfolgern vorhabenden Wiederaufbau unter Benutzung dieser Wandungen auf beiden Seiten eine rechtliche Einsprache nicht erworben haben.
Laut Kaufvertrag von 1837 (StadtA Schwäb. Hall 19/1019, fol. 165V-166V) ist die Last der Unterhaltung der Brunnenleitung vom oberen Höfle bis ans Waschhaus des Rechtskonsulenten Bausch zwischen diesem und Apotheker Roser gemeinschaftlich, von gedachtem Waschhaus bis zur Apotheke aber liegt sie letzterem allein ob.
1870 (Verkauf an C. Clausnizer): "Das von der Verkäuferin während der Ehe von ihren Eltern vererbte Wohnhaus Nro. 46 auf dem Markt, neben Hermann Sandel und der Sandel'schen Apotheke..."
1888 (Verkauf an F. Clausnizer): "3 Ar 23 qm VIII 46 ein 3stockiges Wohnhaus am Markt, mit steinernem Stock und gewölbtem Keller, neben der oberen Herrngasse und Privatier Hermann Sandel.
31 qm Hinterhaus
15 qm Altane
24 qm Holzremise
1 Ar 06 qm Hofraum (incl. Mauer) worin sich ein laufender Brunnen befindet, der aus der städtischen Röhrenfahrt sein Wasser erhält."
Eintragungen in den Denkmallisten
Münzmeisterturm. Giebelständiges Fachwerkhaus mit Schopfwalm, ehem. mittelalterlicher Adelsturm (um 1250 Turm des Münzmeisters), Erweiterungsbauten im 16./17. Jh., Portalgewände mit Wappen-Keilstein, 18. Jh.
Eingetragen ins Landesverzeichnis der Baudenkmale in Württemberg seit 08.10.1925. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale der Stadt Schwäb. Hall, S. 63)
Am Markt 2 (Flst.Nr. 0-23). Clausnitzer-Haus mit dem Münzmeisterturm. Fachwerkhaus, Schopfwalm, ehem. mittelalterlicher Adelsturm, 1250 Turm des Münzmeisters. Erweiterungsbauten 16./ 17. Jahrhundert. Portalgewände mit Wappenkeilstein, 18. Jahrhundert. Fachwerkteil westlich, um 1390 (d) Dachwerk, 1603 (d). § 28 (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)
Besonderheiten
HJ-Heim im Erdgeschoss
1935: Im Erdgeschoss wird ein Heim für die "Schar 1" der Schwäbisch Haller "Hitlerjugend" in einer ehemaligen Werkstatt eingerichtet und am 15. September 1935 eingeweiht.
angebliche Absperrkette für das Adelige Kampfgericht auf dem Marktplatz
An der Westwand des Hauses zur Oberen Herrngasse hin hängt eine Eisenkette, die angeblich der Absperrung des Marktplatzes bei der Abhaltung der sog. "Adeligen Kampfgerichte" diente.
Das Kampfgericht hat möglicherweise hochmittelalterliche Ursprünge. Adelige trugen hierbei ihre Rechtsstreitigkeiten in Form eines Turniers aus, dessen Ausgang den Konflikt entscheiden sollte. Der Zweikampf fand nach bestimmten Regeln auf dem "Fischmarkt" (Marktplatz) statt, der hierfür mit Sand aufgeschüttet und abgeschrankt wurde. Der Sieger galt als unschuldig, der Unterlegene - sofern er am Leben blieb - als ehrlos. Frauen und Kinder unter 12 Jahren durften nicht zuschauen. Das Kampfgericht war überregional bekannt; 1430 allerdings verbot es Papst Martin V. auf Bitten von Einwohnern der Stadt. Im Hintergrund könnte stehen, dass die Reichsstadt 1429 von König Sigismund die Blutgerichtsbarkeit (das recht, über Leben und Tod zu richten) erworben hatte. Das Kampfgericht störte nunmehr die Ausübung dieses Rechts. Trotzdem fanden vereinzelt weitere Kämpfe statt Der letzte Zweikampf fand 1523 statt, aber nicht auf dem Marktplatz. Auf dem Unterwöhrd kämpften die Brüder Gabriel und Rudolf Senft gegeneinander und verwundeten sich gegenseitig schwer.
Die Kette am Clausnizerhaus wurde zwar als "ein denkwürdiger, letzter Zeuge einer echt mittelalterlichen Einrichtung" bezeichnet (Emil Kost). Demzufolge diente sie für die Absperrung des Marktplatzes zur Oberen Herrngasse, wenn ein "Kampfgericht" stattfand . Allerdings ist sehr unwahrscheinlich, dass die Kette tatsächlich aus dem Spätmittelalter stammt. Es ist wenig glaubhaft, dass eine funktionslose Kette über Jahrhunderte am Haus hängen geblieben wäre, ohne für eine andere Verwendung entfernt, gestohlen zu werden oder schlicht und einfach zu verrosten. Zum zweiten ist das gegenüber liegende Gebäude, der klassizistische Anbau der Löwenapotheke, erst im frühen 19. Jahrhundert erbaut worden. Eine Absperrung wäre vor dem Bau dieses Hauses wohl deutlich weiter südlich in der Oberen Herrngasse angebracht worden. Wenn die Kette irgendeine Absperrfunktion hatte, dann dürfte sie deshalb erst im 19. Jahrhundert angebracht worden sein. Denkbar ist auch, dass sie im Zusammenhang mit der Historienbegeisterung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts an ihren Platz gekommen ist und eine Funktion bei den auf dem Marktplatz aufgeführten Historienspielen hatte - sei es als schlichte Absperrung oder als Requisite. Die Legende, dass es sich um ein Relikt des Kampfgerichts handelt, ist wahrscheinlich nicht sehr alt, denn Wilhelm German, der in seine 1900 veröffentlichten Haller Chronik dem Kampfgericht einen umfangreichen Abschnitt gewidmet hat, erwähnt die Kette nicht.
Ohnehin handelt es sich nicht mehr um das "Original", denn dieses wurde 1938 bei Bauarbeiten entfernt. Da sich mittlerweile die Erklärung mit dem Kampfgericht durchgesetzt hatte, veranlasste der Historische Verein für Württembergisch Franken" 1947, dass eine nunmehr als "Denkwürdigkeit aus alter, reichsstädtischer Vergangenheit" geltende, von Emil Schmidt sen. neu gefertigte Kette wieder angebracht wurde. (nach Maisch/Stihler: Schwäbisch Hall / HV NL 5/64)
Biografien von Besitzern und Bewohnern des Hauses
Michael Bechstein (gest. 1603)
Über den bislang frühesten Besitzer des Hauses ist relativ wenig bekannt. Michael Bechstein war ein Sohn des Wirts Leonhard Bechstein und der Margarethe Neiffer. Sein aus Gelbingen stammender Vater besaß seit 1527 das Bürgerrecht der Reichsstadt Schwäbisch Hall und hatte in der Folge großen Reichtum erworben. 1551 war er mit einem versteuerten Vermögen von 9.700 Gulden der reichste Bürger der Stadt. Da Michael Bechsteins Mutter am 17. Januar 1566 eine zweite Ehe mit Melchior Wetzel einging, muß Leonhard Bechstein vor diesem Datum verstorben sein. 1578 heiratete „Herr Michel Bechstein, Herr Lenhardt Bechsteins seligen nachgelassener ehelicher Sohn“ Magdalene Ehrer, eine Tochter des „Juncker“ Christoph Ehrer aus Heilbronn. Drei aus dieser Ehe stammende Kinder sind bekannt, Anna Marie (*1580), Christoph Ludwig (*1581) und Maria Magdalena (*1583). Gerd Wunder berichtet ohne Quellenangaben, Michael Bechstein habe 1592 einen Adelsbrief erworben, behauptet, seine Vorfahren seien Edelleute und Krieger gewesen, und sich fortan „der Edel und Vest Michel von Bechenstein“ genannt. Ein Kanzleischreiber habe hierzu aber spöttisch vermerkt: „Der edel und Ehrnfest Junker Michel von Bechstein zu Narragonia.“ Während er in den Beetlisten weiter als Michael Bechstein aufgeführt wird, gibt es zwei Urkunden von 1595 und 1596, in denen vom „Junker Michel von Bechenstein“ die Rede ist (17/1197 u. 17/1211). Auch Michael Bechstein war wirtschaftlich sehr erfolgreich. Während er 1579 – seine erste Nennung in den Beetlisten – Steuern auf ein Vermögen von 2.750 Gulden bezahlte, war dieses bis 1591 auf 15.500 Gulden angewachsen, womit er der zweitreichste Bürger Schwäbisch Halls war. Wann und wie er in den Besitz des heutigen Clausnizerhauses gekommen ist, lässt sich bislang nicht nachvollziehen. Auch sein Vater Lienhard besaß bereits ein Haus am Markt, aber ob es sich hier um dasselbe Anwesen handelte, muss momentan offen bleiben. Auf das genaue Todesdatum Bechsteins verweist die Beschreibung eines Ende des 18. Jahrhunderts noch vorhandenen, später aber verloren gegangenen Denkmals in der Michaelskirche. Johann Leonhard Gräter erwähnt in seiner Beschreibung der Epitaphien der Haller Hauptkirche im „Neu-Jahrs-Register“ 1795/96 ein Grabdenkmal, das sich offensichtlich auf Bechstein bezieht. Die Inschrift lautete Gräter zufolge „Anno 1603 den 9. Nov. starb der Edel und vest weyl. Michel von Bechenstein. Dem Gott etc.“
Sebastian Thumas (1557-1618), Ursula geb. Moser von Filseck (gest. 1612), Agathe geb. Schantz (gest. 1617) und Anna Maria geb. Fröschlin (geb. 1592)
Sebastian Thumas (oder: Thomas, Thumaß, Thumeß) wurde am 5. Februar 1557 in Stuttgart als Sohn des Kanzleischreibers Christoph Thomas geboren. 1576 nahm er ein Studium an der Universität Tübingen auf. 1581 war er Kanzleischreiber, 1600 erwarb er das Haller Bürgerrecht und wurde in den Rat aufgenommen. Hierbei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass sein Schwager Balthasar Moser von Filseck (d.J.) Stättmeister der Reichsstadt war. Thumas gehörte damit zu einer Gruppe führender Ratsmitglieder und hoher Beamter, die aus Württemberg stammten. Der Wunsch nach einer Entmachtung dieser Gruppe war eine der Forderungen der Haller Bürgerschaft während der „Schneck’schen Unruhen“ von 1602-1603. Zwar konnte der Rat seinen Herrschaftsanspruch behaupten, die württembergische Fraktion wurde jedoch in der Folge entmachtet. Große persönliche Nachteile scheint Sebastian Thumas aber nicht erlitten zu habe. Er erwarb ein nicht unbeträchtliches Vermögen, das in der Beet von 1618 auf 8.200 Gulden veranschlagt wurde. Damit gehörte er zu den 30 reichsten Bürgern der Stadt.
Am 20. August 1583 war er in Stuttgart seine erste Ehe mit Magdalene Egen eingegangen, die aber nach nicht einmal einem Jahr am 9. Mai 1584 starb. Seine zweite Ehefrau wurde Ursula Moser, eine Tochter des württembergischen Kammerrats Balthasar Moser von Filseck, die Thumas am 25. Februar 1585 in Stuttgart ehelichte. Sie starb am 18. Februar 1612 in Schwäbisch Hall. Ein halbes Jahr später ging er seine dritte Ehe mit Agathe Kunigunde Schantz ein, einer Tochter des „Junkers“ Friedrich Schantz. Das Paar hatte mindestens drei Kinder, Johann Friedrich (*1613), Johann Sebastian (*1614) und Johann Christoph (*1616), von denen die beiden letztgenannten allerdings 1622 starben. Nach dem Tod der Agathe Kunigunde Thomas am 5. November 1617 folgte im Alter von 61 Jahren eine vierte und letzte Heirat des Witwers mit der 25jährigen Anna Marie Lutz geb. Fröschlin, Witwe des im Jahr zuvor verstorbenen Johannes Lutz, Pfarrer zu Gollhofen, und Tochter des Christoph Fröschlin, Rat und Sekretär zu Obersontheim.
Sebastian Thumas starb am 21.November 1618 in Schwäbisch Hall. Die 1619 erstellte Inventur erlaubt detaillierte Einblicke in sein beträchtliches Vermögen, das an Immobilien die „Eckbehaußung uff dem Marckht“, einen Grasgarten beim Langenfelder Tor und drei Morgen Acker bei Gaisdorf für insgesamt 3.750 Gulden umfasste. Hinzu kamen zwei auf 2.500 Gulden veranschlagte Eigentumssieden, Gült- und Zinsbriefe mit Kapitalien und ausstehenden Zinsen von 1.422 Gulden. Insgesamt belief sich die Erbmasse auf 12.140 Gulden, 17 Schilling und 3 Heller. Dem gegenüber standen Schulden von 6.253 Gulden, bei denen es sich aber zu erheblichen Teilen um Erbansprüche und Legate handelte. Das Inventar erlaubt detaillierte Einblicke in die Ausstattung des Haushalts eines reichen Stadtbürgers am Anfang des 17. Jahrhunderts. Neben Textilien, Gold- und Silberschmuck, Geschirr, Hausrat jeder Art, Lebensmittelvorräten, Vieh und Waffen finden sich auch Kuriositäten wie das Inventar der „Haus Apothecken“ oder „Hirsch und RehKöpff“, die wohl an Jagderfolge des Besitzers erinnerten. Von besonderem Interesse ist die detaillierte Bestandsliste der Bibliothek des Verstorbenen, die immerhin 28 Foliobände, 43 Quartbände und 106 Oktavbände umfasste. Neben geografischen, theologischen und historischen Werken, einzelnen lateinischen Klassikern (Ovids „ars amandi“, Ciceros „de officiis“) sowie juristischer und Verwaltungs-Fachliteratur finden sich auch einige Drucke und Handschriften, die auf medizinische und botanische Interessen und eigene Forschungen zur Geschichte seiner Heimatstadt deuten. So besaß er eine „Hällische Chronica mit aigen Handt geschriben“, mehrere gedruckte Kräuter- und Arzneibücher und ein „Kräutterbuch, so er mit aigen Hand geschriben“. Außerdem zählten auch selbst geschriebene Manuskripte eines Kanzleibuchs, zweier Formularbücher, eines „Commission Buchs“ und eines Rechenbuchs zum Bestand. Schließlich wird auch ein selbst geschriebenes „Kochbüchlein“ erwähnt.
Sebastian Thumas’ Witwe, die 800 Gulden aus dem Vermögen ihres Mannes erhalten hatte, ging am 14. Februar 1620 eine dritte Ehe mit Ludwig Scheck ein, dem Schultheißen von Obersontheim. Über ihr weiteres Leben ist hier nichts bekannt.
Johann Bäurlin (1546-1618), Dorothee geb. Hofmann (gest. 1616) und Rosine geb. Melsch (1579-1637)
Johann Bäurlin wurde 1546 in Mittelstetten an der Wörnitz in der Markgrafschaft Brandenburg (heute Gde. Wörnitz, Lkr. Ansbach) geboren. Nach dem Tod seiner Eltern ging er 1564 im Alter von 18 Jahren nach Kurland (heute Lettland). Hier trat er als „Scribent“ und Kammerdiener in die Dienste aus Sachsen stammenden Adeligen Friedrich von Kanitz trat, dessen Hauptsitz die ehemalige Deutschordensburg Allschwangen in Livland (heute Alsunga, Lettland) war. „Weil er ein auffrecht, redlich, teutsch Gemüth, auch grosser Fleiß und Treu“ zeigte, rückte er zum Hausvogt des Adeligen auf und scheint in dessen umfangreiche diplomatische Aktivitäten für Herzog Albrecht von Preußen und dessen Nachfolger im Zusammenhang mit dem „Livländischen Krieg“ (1558-1583) involviert gewesen zu sein. Der Nekrolog berichtet, er habe „vielfeltigen Reisens, so in Ungern, Liffland und Preussen, in Regen, Wind und Schnee verrichten müssen, nicht wenig Ungemach und Gefahr ausgestanden.“ 1576 nahm er bei dem „Juncker“ seinen Abschied. Dank eines Empfehlungsschreibens an Erasmus Neustetter, den damaligen Dechanten des Ritterstifts Comburg, erhielt er 1577 die Stelle eines Vogts der Comburg. Im selben Jahr schloss er seine erste Ehe mit der aus einer oberfränkischen Adelsfamilie stammenden Amalie von Sparneck zu Weißdorf, die jedoch bereits im folgenden Jahr verstarb. 1579 heiratete er Dorothea Hoffmann, Tochter des Johann Hoffmann, Prediger zu Rothenburg an der Tauber. Aus dieser Ehe hatte er einen überlebenden Sohn (Johann Heinrich Bäurlin). Dorothea starb am 7. Februar 1616 in Schwäbisch Hall, worauf der Witwer sich „wegen seiner schweren Haußhaltung, obligenden schweren vielfältigen Amptsgeschäfften, auch hohen Alters“ ein drittes Mal mit der 36 Jahre alten Rosina Mayer (*16. Februar 1579) verband. Sie war Witwe des brandenburgischen Vogts Georg Mayer und Tochter des Vormundschreibers Hans Malsch in Rothenburg. An ihr hatte er, wie er selbst rühmte, „einen getreuen Gehilffen.“
Im Zuge der nach dem Tod Erasmus Neustetters (1594) auch auf der Comburg einsetzenden Gegenreformation scheint Bäurlin vor die Wahl gestellt worden zu sein, entweder zum Katholizismus überzutreten oder auf sein Amt als Vogt zu verzichten. Deshalb gab er diese Position 1596 auf und ließ sich zunächst in Unterlimpurg nieder. 1601 erwarb er das Haller Bürgerrecht, und 1602 erfolgte die Berufung in den Inneren Rat. 1615 erreichte er mit der Wahl zum Stättmeister das höchste Amt der Reichsstadt Schwäbisch Hall. Das heutige Clausnizerhaus am Markt erwarb er 1619 aus dem Nachlass des Vorbesitzers Sebastian Thumas, scheint es aber rasch an seinen Sohn Johann Heinrich weiter gegeben zu haben, denn 1623/24 bewohnte er das „Comberger Hauß“, den Comburger Klosterhof (heute Klosterstraße 5).
Pfarrer Bootz rühmt im Nekrolog, er habe ohne Ansehen der Person gewirkt und habe sich durch „Geschenck und Gaben“ die Augen nicht blenden lassen. Andererseits habe man aber auch geklagt, dass er „eines schnellen Zorns sey, unnd die Leuth mit hartem rauhen Ton anfahre.“ Dieser Fehler solle aber seine „Regententugenden“ nicht verdunkeln. Bäurlin scheint sich trotz seines fortgeschrittenen Alters lange einer guten Gesundheit „mit richtigem guten Verstand“ erfreut zu haben, die gefährlichen und „verderblichen“ Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) haben „freylich sein zuvor abgemattetes Herz noch mehr gekränckt und ohne Zweiffel nicht geringe Befürderung zu seinem Todt gegeben“. Wohl Ende 1627 begann er, an „Leibes Schwachheit“ zu leiden und konnte schließlich auch die Gottesdienste nicht mehr besuchen. Im hohen Alter von 83 Jahren starb er schließlich am 9. Januar 1629.
Seine Witwe Rosina heiratete 1630 Andreas Ott, Bürgermeister zu Neustadt an der Aisch, war aber nach drei Jahren erneut Witwe. Da sie selbst aus ihren drei Ehen keine Kinder hatte, scheint sie, wie der Nekrolog berichtet, mehrere Kinder aus dem Verwandtenkreis aufgezogen und diese wie eine leibliche Mutter behandelt zu haben. Rosina Ott verbrachte ihre letzten Lebensjahre teils in Hall, teils in Crailsheim. Bei einem Aufenthalt in der Reichsstadt wurde sie von einer „Leibsschwachheit“ überfallen, lag etwa zwei Wochen darnieder und starb am 2. Juli 1637 im Alter von 58 Jahren.
Johann Heinrich Bäurlin (gest. 1631) und Anna Maria geb. Moser von Filseck (1581-1634)
Über Johann Heinrich Bäurlin ist wesentlich weniger bekannt als über seinen Vater, den Stättmeister Johann Bäurlin. Er stammte aus dessen zweiter Ehe mit Dorothea geb. Hoffmann und dürfte in Steinbach oder auf der Comburg geboren worden sein, wo sein Vater trotz seiner protestantischen Konfession als Vogt des Reichsstifts wirkte. Das Geburtsdatum ist unbekannt und dürfte in den 1570ern oder am Anfang der 1580er Jahre liegen. Es ist anzunehmen, dass er wie sein Vater eine Schreiber-Ausbildung absolvierte. Am 7. Juli 1609 heiratete er Anna Maria Moser von Filseck (*12. August 1581) , eine 27 Jahre alte Tochter des Stättmeisters Balthasar Moser von Filseck. Das Paar hatte mindestens sieben Kinder, Johann Balthasar (*1602), Anna Maria (*1604), Anna Dorothea (*1606), Johann Heinrich (*1608), Anna Euphrosina (*1609), Katharina Susanna (*1612) und Johann David (*1618), von denen 1634 aber nur noch Anna Dorothea, Anna Euphrosina und Johann David am Leben waren. Das heutige Clausnizerhaus kam nach 1620 über seinen Vater in den Besitz Johann Heinrich Bäurlins, der dort ab 1623/24 als Steuerzahler vermerkt ist.
Johann Heinrich Bäurlin war zwar sehr wohlhabend, konnte die Karriere seines Vaters aber nicht wiederholen. Er erhielt die Stelle eines Spitalschreibers (erstmals erwähnt 1615/16) und ein Mandat im Äußeren Rat. Auch das hohe Alter des Stättmeisters erreichte er nicht. Das Totenbuch von St. Michael vermerkt 1631 lakonisch „H[err] Johann Hainrich Bäurlin deß eussern Rahts unnd gewesener Spitahl Schreiber den 3 die [3. Februar] gestorben.“ Etwas mehr ist über seine Witwe bekannt, die am 12. Oktober 1634 ein Testament verfertigen ließ. Dieses diktierte sie „inn ihrer Behaußung und Wohn-Stuben gegen dem Marckht, uff einem Bett ligendt, sehr schwach und kranckhes Leibs, jedoch noch gutter Vernufft und Verständnuß“. Es behandelt im wesentlichen die Erbrechte ihrer Enkelin Maria Sophia Firnhaber, deren Mutter Anna Maria, Ehefrau des Wolf Firnhaber, Stadtkapitän (Hauptmann) zu Rothenburg, bereits verstorben war. Anna Maria Bäurlin starb einen Tag nach der Abfassung des Testaments am 13. Oktober 1634 im Alter von 53 Jahren. Während sich von ihrem Mann kein Inventar erhalten hat, gibt es von ihr zwei; eine Aufnahme des Hausrates nach Räumen und eine Zusammenstellung des gesamten Vermögens, das auf insgesamt rund 16.700 Gulden geschätzt wurde, wobei nur Immobilien, verliehene Gelder, Gülten und ähnliches eingerechnet sind.
Heinrich Sibäus vom Jemgumer Closter (1632-1693) und Susanna Praxedis geb. Seifferheld (1643-1710)
Heinrich Sibäus vom Jemgumer Closter wurde 1632 als Sohn des Sibo Heinrichs, Amtmann und Erbpächter des Klosters Jemgum in Ostfriesland, und der Detta geb. Hophens geboren. Iim Alter von sechs Jahren starb sein Vater. Seine Mutter hat ihn bis in das Alter von 12 Jahren im Gynasium von Emden „zur Gottesforcht, freyen Künsten und Sprachen anführen lassen“; von dort wechselte er auf das Gymnasium in Bremen. Dort zeigte er sich so begabt, dass er bereits als 15jähriger ein Studium der Rechte und der Geschichte an der Universität Helmstedt beginnen konnte. Von dort wechselte er für vier Jahre nach Jena und für drei Jahre nach Leipzig, wo er unter anderem auch theologische Vorlesungen hörte. 1657 begab er sich nach Heidelberg und absolvierte anschließend ein vierjähriges Praktikum beim Reichskammergericht in Speyer. Insbesondere scheint er „gegen eine gewisse Jahrs-Bestallung“ die Interessen des Fürsten Enno Ludwig von Ostfriesland wahrgenommen zu haben. Es folgten Reisen unter anderem durch Holland, nach Hamburg, Kopenhagen, „umb allda ein mehreres zu sehen u. zu erlernen“. Heinrich Sibäus, der mittlerweile den Familiennamen „vom Jemgumer Closter“ angenommen hatte, erhielt 1661 das Angebot der Reichsstadt Schwäbisch Hall, die Stelle eines Ratskonsulenten anzunehmen, d. h. eines juristischen Fachberaters. Nach 25 Jahren rückte er in das Amt eines verstorbenen Kollegen als „älterer Consiliarius“ auf. Hinter der Berufung stand Stättmeister Georg Friedrich Seifferheld, die dominierende Haller Persönlichkeit dieser Zeit. Wie der Kontakt zustande kam, ist unbekannt, vielleicht während der Zeit, als Heinrich Sibäus am Reichskammergericht in Speyer tätig war. Stättmeister Seifferheld holte den Ostfriesen nicht nur nach Schwäbisch Hall, sondern arrangierte auch seine Eheschließung mit seiner am 7. März 1643 geborenen Tochter Susanna Praxedis aus seiner ersten Ehe mit Praxedis geb. Zinn. Deren Mutter war 1653 gestorben, weshalb die Stiefmutter Susanna von Berg die Erziehung übernahm und sie „in allerhand dem Frauen Zimmer wolanständigen Tugenden u. Geschäfften angehalten“ hat. Es kann ausgeschlossen werden, dass Susanna Praxedis bei der Wahl ihres Gatten nennenswert mitgeredet hat – die Eheschließung diente dem Ausbau der Beziehungsgeflechte ihres Vaters. Das Ehepaar hatte in 33 Ehejahren zwölf Kinder – je sechs Söhne und Töchter – von denen zwei Söhne und fünf Töchter den Vater überlebten. Etwa zwei Jahre vor seinem Tod ist er „in dem Haupt u. allen Gliedern sehr krafftloß worden, auch 2 gefährliche Brustkranckheiten außgestanden“. Hinzu kamen zunehmende Altersschwäche, Durchfall, Atemschwierigkeiten und Appetitlosigkeit, die den Juristen so schwächten, dass er bettlägerig wurde und am 16. Juli 1693 im Alter von 61 Jahren verstarb. Susanna Praxedis lebte nach dem Tod ihres Mannes als Witwe, vermutlich in ihrem Haus am Markt, und erlebte „mit großmütterlicher Freude“ die Geburt von 34 Enkeln. Aus Sicht des Pfarrers zeichnete sie sich durch Frömmigkeit, „Gutthätigkeit gegen die Armen, liebreicher Dienstfertigkeit gegen die Befreündten u. Anverwandten“ aus. Bis kurz vor ihrem Tod scheint sie sich einer guten Gesundheit erfreut zu haben. Schließlich aber „überfiel“ sie ein „schneller Frost“, was vielleicht auf eine Infektionskrankheit mit hohem Fieber deutet. Sie litt an Seitenstechen, „Hitze“ (Fieber), Durst und Husten und starb nach acht Tagen am 7. Februar 1710 im Alter von 67 Jahren. Die Inventur der Witwe weist das Ehepaar als sehr wohlhabend aus, was angesichts des großen Reichtums des Vaters bzw. Schwiegervater nicht sehr erstaunt. Neben dem Haus am Markt werden Herren- und Vorgeldgülten, verliehene Gelder und Eigentumssieden, aber auch Schmuck, Bargeld und Hausrat aufgelistet. Insgesamt kamen Geld- und Sachwerte von etwa 14.646 Gulden zur Verteilung an die Erben.
Johann Lorenz vom Jemgumer Closter (1676-1761) und Katharine Magdalene geb. Engelhardt (1681-1749)
Johann Lorenz vom Jemgumer Closter wurde am 7. Mai 1676 in Schwäbisch Hall als Sohn des Ratskonsulenten Heinrich Sibäus vom Jemgumer Closter und der Susanna Praxedis Seifferheld geboren, einer Tochter des „Großen Stättmeisters“ Georg Friedrich Seifferheld. Er wurde „bey verspürter Fähigkeit in die deutsche Schule, hernach ins löbl. Gymnasii geschickt“. Letzteres geschah ausweislich des Matrikelbuchs ab Februar 1682, also in einem Alter von noch nicht sechs Jahren. 1693 verlor er seinen Vater, im Jahr darauf begann er, „nachdem er im hiesigen Gymnasio zwey Reden de religione und de humanitate imperantium abgelegt“, ein Studium der Philosophie („Weltweisheit“) und der Rechte („Rechtsgelahrtheit“) in Altdorf. Von dort wechselte er nach Wittenberg, wo er nicht nur sein Jurastudium fortsetzte, sondern auch historische Vorlesungen hörte, und schließlich 1696 nach Halle. Zu seinen dortigen Lehrern gehörte unter anderem der bedeutende Staatsrechtler Johann Peter von Ludewig, ein in Honhardt geborener Sohn eines Haller Amtmanns. 1868 kehrte Closter nach Schwäbisch Hall zurück und erklomm mit dem Amt eines Ratsadvokaten die erste Stufe seiner Karriereleiter. Zur Promotion ging er 1699 noch einmal nach Halle und ist „zu einem Doctor beeder Rechtem ernennt worden.“ Von dort reiste Closter nach Berlin, wo er 1701 Augenzeuge des feierlichen Einzugs des bisherigen Kurfürsten Friedrichs III. von Brandenburg wurde, der sich in Königsberg selbst zum König in Preußen gekrönt hatte. Weitere Stationen waren Sachsen, Böhmen, Wien, Pressburg (heute Bratislava, Slowakei), Ödenburg (heute Sopron, Ungarn) und Ofen (heute Budapest). Nach seiner Rückkehr nach Schwäbisch Hall verlieh ihm der Rat 1703 das Amt eines Ratskonsulenten. 1713 stieg er in den Inneren Rat auf. 1715 wurde er Amtmann im Rosengarten, 1731 Obervormundsgerichts-Deputierter, 1731 Haalhauptmann und Mitglied des Geheimen Rates und 1734 Steuerherr sowie Mitglied des Konsistoriums und Scholarchats. „Durch einhellige Wahl“ zum Stättmeister erreichte Closter 1738 schließlich das höchste Amt der Reichsstadt.
Bereits am 22. November 1698 hatte er in Schwäbisch Hall Catharina Magdalena Engelhardt geheiratet (*30. Oktober 1681), eine fünf Jahre jüngere Tochter des Ratsherrn Johann Wilhelm Engelhardt und der Anna Magdalene geb. Hezel. Das Paar hatte 14 Kinder, fünf Söhne und neun Töchter, die meisten sind aber den Eltern „in die Ewigkeit ... vorausgegangen“ und starben als Kinder oder Jugendliche. 1761 lebten nur noch die drei Töchter Renata Susanna (*1707), Maria Rosina (*1719) und Susanna Maria (*1721). Tragisch endete das Leben des Sohnes Johann Wilhelm Heinrich (*1705), seit 1735 Ratsadvokat und Archivar. Er wurde am 30. Januar 1735 nach einem Streit beim Würfelspiel vor dem Haus Gelbinger Gasse 25 von Friedrich Gabriel Pachelbel von Gehag niedergestochen und getötet. Die genauen Umstände der Tat konnten nie ermittelt werden, da das Ermittlungsverfahren des Rates aufgrund der Prominenz der Beteiligten sehr schleppend verlief. Der in Haft gehaltene Pachelbel begann schließlich an einer Geisteskrankheit zu leiden und starb 1747 im Spital. Der andere überlebende Sohn, der Stadtschreiber Friedrich Lorenz (*1703), starb 1751 im Alter von nur 47 Jahren ebenfalls vor seinem Vater. Insgesamt erlebte der Stättmeister, wie der Nekrolog vermerkt, die Geburt von 14 Kindern, 36 Enkeln und 18 Urenkeln. Prunkvoll gefeiert mit einem Festgottesdienst und einer Gedenkmedaille wurde 1748 das doppelte Jubiläum der Goldenen Hochzeit und eines fünfzigjährigen Amtsjubiläums. Catharina Magdalena wird in ihrem Nekrolog als Muster einer christlichen Hausfrau beschrieben, die ihre Frömmigkeit „durch die fleißige Besuchung des Gottesdiensts und Leßung des gött. Worts“ bewies. Sie scheint sich guter Gesundheit erfreut zu haben, bis sie am 24. Dezember 1749 einen „Steck- u. Schlagfluß“ (wohl einen Schlaganfall) erlitt und „ganz plötzlich“ im Alter von 68 Jahren starb. Nach diesem Verlust kümmerte sich Anna Maria, die Witwe seines Sohnes Friedrich Lorenz, um den verwitweten Stättmeister. 1759 legte Johann Lorenz aus gesundheitlichen Gründen seine Ämter nieder und verbrachte seine Zeit in der Folge – so der Nekrolog – „in Lesung der Heiligen Schrift und geistreicher Bücher“. Er starb am 22. Februar 1761 im hohen Alter von 85 Jahren an Altersschwäche. Die nach seinem Tod angefertigte Inventur weist den Stättmeister als ausgesprochen wohlhabenden Mann aus. Er besaß neben dem Haus am Markt die Hälfte des „Engelhardt-Palais“ (heute Gelbinger Gasse 25), ein Viertel an einem Hofgut in Weckrieden, ein weiteres „Güthlein“ dort, etliche weitere Grundstücke (zusammen 12.800 Gulden), Herren- und Geltgülten (1766 Gulden), Siedensgerechtigkeiten (8.725 Gulden), verliehene Kapitalien (13.037 Gulden), Aktivschulden (597 Gulden) und Bargeld im Wert von 2.722 Gulden. Die detaillierte Auflistung dieses ungewöhnlich großen und wertvollen Münz- und Medaillenbestands enthält Stücke ganz unterschiedlicher Herkunft und teils hohen Alters (u.a. Haller Münzen von 1545, etliche Haller Medaillen, englische Münzen, altes schwedisches Geld, „alte Ducaten“ etc. ) und deutet auf antiquarische bzw. numismatische Interessen des Besitzers. Ingesamt berechnete man den Wert des unter den Kindern und Enkeln aufgeteilten Vermögens auf 44.946 Gulden. Johann Lorenz vom Jemgumer Closter war damit einer der reichsten, vermutlich sogar der reichste Bürger Schwäbisch Halls.
Susanna Maria Franck, verw. Textor, geb. vom Jemgumer Closter (1721-1773), Ehefrau des Johann Friedrich Textor (1718-1762) und des Johann Andreas Franck (1711-1783)
Susanna Maria wurde am 5. August 1721 als Tochter des damaligen Ratsherren und späteren Stättmeisters Johann Lorenz vom Jemgumer Closter und der Catharina Magdalene geb. Engelhardt geboren. In ihrem Elternhaus wurde sie „bey fähigen Jahren in den Gründen des Christenthums, wie auch in denen einem Frauenzimmer wohlanständigen Geschäften auf das beste unterrichtet.“ Dadurch wurde sie „also in den Stand gesezt, einer eigenen Oeconomie rühml. vorzustehen.“ Ihre erste Ehe schloss sie am 18. Juli 1747 im Alter von 25 Jahren mit dem drei Jahre älteren außerordentlicher Ratsadvokaten Johann Friedrich Textor, einem am 20. Juni 1718 geborenen Sohn des Ratsherren und Rosengartener Amtmanns Heinrich Friedrich Textor und der Susanna Maria geb. Laccorn. Dieser hatte in Schwäbisch Hall das Gymnasium besucht, absolvierte anschließend ein Studium der Rechte in Tübingen und Frankfurt und war 1744 nach Schwäbisch Hall zurückgekehrt. 1750 stieg er zum ordentlichen Ratsadvokaten auf, 1758 zum Ratskonsulenten und wurde 1760 in den Inneren Rat berufen. Das Paar hatte keine Kinder. Susanna Maria Textor verlor ihren ersten Mann durch einen „Verkehrsunfall“. Johann Friedrich Textor war Anfang August 1762 auf der Rückfahrt von einem dienstlichen Geschäft in Kirchberg, als die Pferde seiner Kutsche scheuten und er sich beim Sprung aus der Kutsche beide Beine brach. Anfangs zeigte der Patient eine gute Entwicklung, dann jedoch begann er, unter Fieber („Hitze“) zu leiden, was auf eine Wundinfektion deutet. Es trat Wundbrand ein, der schließlich am 11. September 1762 zum Tod des Ratsherrn führte. In seinem Nekrolog ist eine sehr detaillierte Schilderung des Krankheitsverlaufs enthalten.
Drei Jahre danach ging Susanna Maria am 4. März 1766 im Alter von 44 Jahren eine zweite Ehe mit Johann Andreas Franck ein, einem 54 Jahre alten Mitglied des Inneren Rates und Steuerherrn. Geboren am 1. Oktober 1711 als Sohn des Johann Emmanuel Frank, Pfarrer zu Unterlimpurg, und der Ursula Cordula geb. Bölz, hatte er die deutsche Schule und das Gymnasium besucht und 1729 eine Schreiberausbildung begonnen. In deren Verlauf kam er 1731 nach Tübingen, wo er ein Studium der Rechte, der Philosophie und der Geschichte aufnahm und in Jena fortsetzte. Nach dem Abschluss seiner Studien in Tübingen kehrte er 1735 nach Schwäbisch Hall zurück und begann seine Karriere in der reichsstädtischen Verwaltung mit der Umschlagsexpedition. 1741 folgte die Übertragung der Salzverwaltung, 1749 kam die Berufung in den Inneren Rat, aus der zahlreiche die Übernahme zahlreicher weiterer Ämter resultierte. Den Gipfel seiner Laufbahn erreichte Franck 1776 mit dem Eintritt in das Geheime Ratskollegium und 1778 mit der Wahl zum Stättmeister. Die Heirat mit Susanna Maria Textor war Johann Andreas Francks vierte Ehe. Seine erste Frau Dorothea Maria Mayer (*1719), die er 1739 geheiratet hatte, war bereits 1740 nach der Geburt eines Mädchens am Kindbettfieber verstorben. Die daraufhin geschlossene Ehe mit Maria Katharina Kochendörfer (*1718) dauerte sieben Jahre. Von den fünf Kindern erreichten nur die Tochter Susanna Maria (*1741) und der Sohn Johann Friedrich Wolfgang (*1744), der 1783 als preußischer Artillerieoffizier in Berlin diente, das Erwachsenenalter. Nach dem Tod von Maria Katharina 1747 heiratete Johann Andreas Frank im selben Jahr Maria Rosine Wibel (*1725). Mit seiner dritten Frau hatte er sechs Kinder, von denen wiederum nur zwei das Erwachsenenalter erreichten, der spätere Pfarrer Friedrich David Franck (*1750) und Johann Friedrich Franck (*1757), der eine Verwaltungskarriere einschlug. 1763 wurde Johann Andreas zum dritten Mal Witwer; im gleichen Jahr brach er sich ein Bein, überlebte diesen Unfall aber. Drei Jahre später heiratete er zum vierten und letzten mal. Auch seiner Ehe mit Susanna Maria war keine lange Dauer beschieden. Schon lange vor ihrem Tod litt sie an Schwindsucht und „Wassersucht“ (Wasseransammlungen in den Körperhöhlen, eine Folge von Herzschwäche oder Nierenerkrankungen), verfiel schließlich körperlich stark und starb am 11. Oktober 1773 im Alter von 52 Jahren. Wie ihre Eltern war Susanna Maria ausweislich ihrer Inventur eine sehr wohlhabende Frau. Ihr Vermögen – inklusive dem auf 1.500 Gulden veranschlagten Haus, einem halben Hofgut und einem weiteren „Gütlein“ in Weckrieden – berechnete man auf 27.218 Gulden. Dem standen zwar Verbindlichkeiten von 14.159 Gulden gegenüber, hier handelte es sich aber zu einem erheblichen Teil um keine „echten“ Schulden, sondern um Erbansprüche und Legate. Ihr Witwer überlebte sie um neun Jahre und starb am 24. März 1783 im Alter von 71 Jahren in dem von Susanna Maria in die Ehe eingebrachten Haus am Markt, in dem ihm der Heiratsvertrag ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt hatte.
Maria Rosina Wibel geb. vom Jemgumer Closter (1719-1796), Witwe des Johann Joseph Franz Wibel (1716-1769)
Maria Rosina vom Jemgumer Closter wurde am 30. Juni 1719 als Tochter des damaligen Ratsherren und späteren Stättmeisters Johann Lorenz vom Jemgumer Closter und der Catharina Magdalene geb. Engelhardt geboren. Als Tochter eines sehr wohlhabenden und einflussreichen Mannes genoss sie eine sorgfältige Erziehung, dank der sie reich an „Käntnissen im Christenthum und Haushalltungs-Geschäften“ war. Am 1. November 1740 heiratete sie in St. Michael Johann Joseph Franz Wibel. Der drei Jahre ältere Ehemann war am 23. März 1716 in „Kirmensin“ in Ungarn (vielleicht das heutige Körmend) geboren worden, wo sein Vater, ein gebürtiger Haller, als Rittmeister im Türkenkrieg 1714-1718 unter Prinz Eugen von Savoyen gegen die Osmanen kämpfte. Seine Mutter Jeanne Philippine, geborene de Bourgois, eine belgische Adelige, hatte ihren Ehemann offenbar auf dem Feldzug nach Ungarn begleitet. Nach dem vermutlich frühen Tod der Mutter hat der Vater den Sohn – so dessen Epitaph auf der Stöckenburg – „in seiner zarten Kindheit nach Schwäb: Hall zurück gebracht“, wo der vermutlich bei Familienangehörigen groß gezogen wurde, während der Vater weiter als kaiserlicher Offizier diente und 1732 nach der Rückkehr vom Italienfeldzug Prinz Eugens in Schwäbisch Hall starb. Johann Joseph Franz wurde „wohlerzogen u: nach nuzlich angewendeter Zeit auf Universitäten und zurückgelegten schönen Reisen in ao. 1740 sogleich in der Stadt Hall bedienstet.“ Das Ehepaar hatte acht Kinder, von denen aber fünf dem Vater „in die Ewigkeit vorausgegangen“ sind. Johann Joseph Franz Wibel hatte zuletzt die Stelle eines Hällischen Amtsvogts in Vellberg inne und starb dort am 23. Januar 1769. Ein steinernes Epitaph und ein Gemälde haben sich in der Kirche auf der Stöckenburg erhalten, wo Wibel „unter einer volckreichen Begleitung“ beigesetzt wurde. Maria Rosina Wibel lebte als Witwe in Schwäbisch Hall, spätestens ab 1779 in dem von ihr erworbenen Teil ihres Elternhauses am Markt. Sie starb am 17. September 1796 im Alter von 77 Jahren an Altersschwäche. Wie bei einer Dame ihrer Herkunft zu erwarten, weist sie die Inventur als sehr wohlhabend aus. Den Wert des „beetbaren“ (bürgersteuerpflichtigen) Vermögens berechnete man mit 11.594 Gulden. Hierzu gehörte offenbar auch ein Teil der umfangreichen Münzsammlung ihres Vaters. Dass die Dame trotz ihres Alters offenbar noch Geschäfte getätigt hatte, brachte sie posthum in den Verdacht der Steuerhinterziehung. Den Grund für die immerhin rund 250 Gulden umfassende Differenz zwischen dem zuletzt von ihr angegebenen und dem tatsächlich vorhandenen Vermögen ließ sich aber damit erklärten, dass seitdem „theils durch Vieh-, theils durch etwalichen Frucht-Verkauf ein zimmlicher Erlöß eingegangen ist.“
Johann Peter Churr (1728-1803), Renata Elisabethe Katharine geb. vom Jemgumer Closter (1733-1791) und Magdalena Dorothea geb. Hezel verw. Hezel (1733-1804)
Johann Peter Churr wurde am 21. März 1728, im Jahr des Großen Stadtbrands, als Sohn des Georg Albrecht Chur, kaiserlicher Notar, Kanzlist, Landumgelter und Unterlandumgelter, und der Marie Rosine Magdalene geb. Wenger in Schwäbisch Hall geboren. Er besuchte das Haller Gymnasium bis zur Sekunda, wechselte von dort an das Pädagogium, die Schule der Fancke’schen Stiftungen in Halle, und begann ein Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen. Nach dessen Abschluss kehrte er nach Schwäbisch Hall zurück. Er begann seine Verwaltungskarriere mit dem Amt eines Stadtadvokaten und Prokurators, rückte 1756 zum Amtsschreiber im Rosengarten auf, erhielt 1776 das Amt eines Hospitalpflegers und wurde 1785 in den Inneren Rat berufen, wo er, wie der Nekrolog vermerkt – „wegen seiner Rechtschaffenheit eine wichtige Stelle nach der anderen erhielt.“ Am 3.September 1754 heiratete er die fünf Jahre jüngere Renata Elisabetha Catharina vom Jemgumer Closter (*26. November 1733), eine Tochter des Stadtschreibers Friedrich Lorenz vom Jemgumer Closter und der Anna Marie Bräun. Das Paar hatte drei Kinder, die alle vor ihrem Vater starben, Renata Susanna Elisabetha (*1755) als Säugling, Katharina Elisabetha Magdalena (1761-1799) und Johann Friedrich Albrecht (1756-1803) als Erwachsene. Das Haus am Marktplatz hatte das Ehepaar 1783 erworben. Renata Elisabetha Catharina Chur starb am 28. Juli 1791 im Alter von 57 Jahren. Ihr Ehemann ging am 24. Januar 1792 eine zweite Ehe mit Magdalene Dorothea Hezel (*7. April 1733) ein, der 58 Jahre alten Tochter des Ratsherrn Johann Christoph Hezel und Witwe des „Physicus ordinarius“ (Stadtarztes) Dr. David Franz Hezel, die aus dieser ersten Ehe zwei erwachsene Töchter hatte (ein Sohn war als Kind gestorben). Johann Peter Chur starb am 18. April 1803 im Alter von 75 Jahren vermutlich an einem Schlaganfall. Das Haus am Markt hatte er da bereits in zwei Etappen (1798 und 1801) an den Ratsherrn und späteren Stättmeister Friedrich Franz Erasmus Majer verkauft. Der Tod seiner an allerlei Krankheiten leidenden, 71 Jahre alten Witwe folgte ein Jahr später am 14. Juli 1805.
Friedrich Franz Erasmus Majer (1741-1810) und Renata Sophia Sybilla geb. Wibel (1743-1798)
Friedrich Franz Erasmus Majer wurde am 27. Juni 1741 in Hall als Sohn des Geheimen Rats Johann Erst Majer und der Susanna Maria geb. Hartmann geboren. Er studierte in Tübingen Jura und begann danach eine Verwaltungskarriere in der Reichsstadt Schwäbisch Hall, die ihn in das Amt eines Ratskonsulenten und 1778 in den Inneren Rat führte. Am 15. April 1766 hatte er im Alter von 24 Jahren die zwei Jahre jüngere Renata Sophia Sybilla Wibel geheiratet. Sie war am 15. September 1743 als Sohn des damaligen außerordentlichen Ratsadvokaten Johann Joseph Franz Wibel in Schwäbisch Hall und der Marie Rosine geb. vom Jemgumer Closter in Schwäbisch Hall geboren worden und wuchs „gebildet an Seel und Leib“ auf. In der Ehe wurden vier Söhne geboren, Johann Ernst (*1767), Andreas Jakob Valentin (*1771), Friedrich Gottlieb (*1773) und Karl Friedrich (*1779), die alle das Erwachsenenalter erreichten und Theologie, Jura oder – im Fall des jüngsten – Medizin studierten. 1796 erbte das Ehepaar nach dem Tod der Mutter bzw. Schwiegermutter Marie Rosina Wibel den ihr gehörenden oberen Teil des Hauses am Markt. Renata Sophia Sybilla Majer, die – so der Autor des Nekrologs – einen „liebenwürdige[n] Character“ hatte, starb am 22. Februar 1798 im Alter von 54 Jahren an einem „Steck- und Schlagfluß“ (wahrscheinlich ein Schlaganfall). Friedrich Franz Erasmus Majer erreichte zwar 1801 als Witwer das höchste Amt der Reichsstadt Schwäbisch Hall, doch war diese Ehre überschattet von dem sich abzeichnenden Ende der Reichsstadt Schwäbisch Hall, das dann 1802 mit der Okkupation durch Württemberg Realität wurde. Dass er das in Etappen zwischen 1796 und 1801 erworbene Haus am Markt bereits 1806 zu seinen Lebzeiten an den Apotheker Johann Peter Sandel verkaufte, sich aber ein Wohnrecht vorbehielt, könnte ein Hinweis auf finanzielle Probleme sein – König Friedrich I. von Württemberg verweigerte die Bezahlung von Pensionen an reichsstädtische Beamte, die sein Missfallen erregt hatten. Friedrich Franz Erasmus Majer starb am 20. November 1810 im Alter von 69 Jahren an „Entkräftung“. Eine Inventur, die Aufschlüsse über seine Vermögensverhältnisse und seine Erben geben könnte, hat sich nicht erhalten.
Johann Peter Sandel (1744-1827) und Regina Susanna geb. Lay (1753-1796)
Johann Peter Sandel wurde am 1. November 1744 als Sohn des gleichnamigen Apothekers Johann Peter Sandel und der Benigna Cordula geb. Ammerbach in Schwäbisch Hall geboren. Der Vater hatte im Jahr zuvor die Stellwag’sche Apotheke (heutige Löwenapotheke) erworben. Johann Peter erlernte den väterlichen Beruf, übernahm nach dessen frühen Tod 1762 die Apotheke und heiratete am 16. August 1774 im Alter von 29 Jahren Regina Susanna Lay (*26. Januar 1753), eine 21 Jahre alte Tochter des Kaufmanns Johann Christoph Paul Lay und der Margaretha Barbara geb. Mayer. Das Ehepaar hatte neun Kinder, von den zwei als Kinder starben und drei Söhne und vier Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Johann Peter Sandel, den der Nekrolog seiner Frau 1796 als „berühmten Apotheker“ bezeichnet, rückte in den Äußeren Rat auf, erwarb 1806 das heutige „Clausnizerhaus“ und errichtete 1809 den markanten klassizistischen Anbau an die Apotheke mit den beiden liegenden Löwen als Fassadenschmuck. Den Kauf von Stättmeister Majer scheint Sandel nicht zuletzt deshalb getätigt zu haben, um damit dessen Einwänden gegen die geplante Erweiterung der Löwenapotheke den Grund zu entziehen. Regina Susanna Sandel starb am 1. Oktober 1796 im Alter von 43 Jahren an einem mit Krämpfen („Gichtern“) einhergehenden Nervenfieber. „Die Seelige war“ – so der Nachruf des Pfarrers – „immer Freundin der Tugend, und in dieser Hinsicht nach der ganzen Kraft des Wortes wahre Christin, die beste Gattin u. Mutter, die danckbarste Tochter, zärtliche Schwester u. edle Freundin, u. ihr früher Sarg wird von allen mit den frischen Thränen benezet.“ Johann Peter Sandel überlebte seine Frau um über 30 Jahre, die er als Witwer verbrachte. Er starb am 19.Dezember 1827 im hohen Alter von 83 Jahren an „Altersschwäche und Abzehrung.“
Susanna Margaretha Sandel geb. Schloßstein (1790-1875), Witwe des Johann Peter Sandel jun. (1775-1825)
Susanna Margaretha Schloßstein wurde am 14. August 1790 in Schwäbisch Hall als Tochter des Georg Michael Schloßstein und der Susanna Maria Kämpf geboren. Ihr Großvater mütterlicherseits war der Rotgerber Christoph David Kämpf (1728-1811), der eine handschriftliche Autobiografie hinterlassen hat. Über sie selbst ist relativ wenig bekannt. Sie heiratete am 2. August 1814 kurz vor ihrem 24. Geburtstag den 15 Jahre älteren Apotheker Johann Peter Sandel jun., einen am 21, Juni 1775 geborenen Sohn des wohlhabenden Apothekers Johann Peter Sandel sen. (s. oben). Das Ehepaar hatte offenbar keine Kinder. Johann Peter starb nach neun Jahren am 13. November 1825 im Alter von 50 Jahren an einem „zehrenden Fieber“ (möglicherweise Tuberkulose). 1829 erwarb Susanna Margaretha Sandel einen Anteil am heutigen „Clausnizerhaus“ von den anderen Erben ihres Schwiegervaters und dürfte spätestens ab diesem Zeitpunkt dort gelebt haben. Sie starb am 9. Januar 1875 im hohen Alter von 84 Jahren an eienr Lungenentzündung. Susanna Margaretha Schloßstein war eine sehr wohlhabende Frau, deren Vermögen in ihrer Realteilung auf 34.655 Gulden veranschlagt wurde. Es bestand zu einem großen Teil aus Geldern, die sie nicht nur in Staatsanleihen u.ä. angelegt, sondern auch an Personen aus Schwäbisch Hall und der Region verliehen hatte. Die interessante Frage, ob sie diese Geldgeschäfte – die bis kurz vor ihrem Tod abgeschlossen wurden – selbst getätigt hat oder ob sie lediglich in ihrem Auftrag vorgenommen wurden, lässt sich nicht beantworten. In den Genuss der Erbschaft kamen vor allem ihr Bruder Johann Friedrich Schloßstein, dessen Kinder und weitere Verwandte über ihren Vater. Die Erben ihres Mannes dürften bereits nach dessen Tod 1825 abgefunden worden sein.
Quellen
Literatur:
- Johann Bootz: Christliche Leichpredigt/ Bey der Begräbnus Weyland des Ehrvösten/ Hochgeachteten und Wolweysen Herrn Johann Bäurlins..., Tübingen 1629 [Signatur: StadtA Schwäb. Hall So 1068]
- Ernst Breit (Hrsg.): 400 Jahre Löwen-Apotheke Schwäbisch Hall, Schwäbisch Hall 1966 (Fam. Sandel)
- Johann Leonhard Gräter: Ferner fortgesezte Beschreibung der in unserer Michaeliskirche, und zwar im Chor anzutreffenden Epitaphien, in: ders.: Kirchliches Jahr-Register, die Stadt Schw. Hall betreffend, vom 1. Advent 1795. biß dahin 1796 ..., Schwäbisch Hall [1796], Nr. 150
- Haller Tagblatt v. 14.9.1935, S. 7; 3.10.1935, S. 4 (HJ-Heim)
- Eduard Krüger: Ein ungewöhnlich schöner Fund. Im "Clausnizerhaus" wurde ein Wandbild aus der späten Dürer-Zeit entdeckt, in: Haller Tagblatt v. 24.5.1956
- A. Maisch, D. Stihler: Schwäbisch Hall. Geschichte einer Stadt, Künzelsau 2006, S. 37 (Kampfgericht), 196ff (Schneck'sche Unruhen), 275ff (zur Affäre Pachelbel)
- Eugen Mayer, Das Bürgerhaus zwischen Ostalb und oberer Tauber, Tübingen 1978. S. 15 und S. 26 mit Zeichnungen.
- Dieter Narr: Gedenksteine und Mahnmale an der Kirche auf der Stöckenburg, in: H. Decker-Hauff (Hrsg.) Vellberg in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1: Darstellungen (Forschungen aus Württembergisch Franken; Bd. 26), Sigmaringen 1984, S. 537-548, hier S, 540f (Epitaph J. J.F. Wibel)
- Tobias Würth: Weg frei für "Haus der Bauern", in: Haller Tagblatt v. 15.12.2012, S. 9
- Gerd Wunder, Gerhard Lenckner (Bearbb.): Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600 (Württembergische Geschichtsquellen; Bd. 25), Stuttgart 1956, S. 110 Nrn. 328, 330 (L. und M. Bechstein).
- Gerd Wunder: Die Ratsherren der Reichsstadt Hall 1487-1803, in: Württembergisch Franken 46 (1962), S. 100-160, hier S. 143 Nr. 197
- Gerd Wunder: Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216-1802 (Forschungen aus Württembergisch Franken; Bd. 16), Sigmaringen 1980, S. 65-66 (Michel Bechstein)
Archivalien:
- Baurechtsamt Schwäbisch Hall, Bauakten
Stadtarchiv Schwäbisch Hall
- StadtA Schwäb. Hall 2/44 (Ehebuch St. Michael 1559-1595), S. 168 (Eheschließung M. Bechstein u. M. Ehrer)
- StadtA Schwäb. Hall 2/69 (Totenbuch St. Michael 1606-1634), S. 300 (Eintrag Joh. Heinr. Beuerlin)
- StadtA Schwäb. Hall 2/70a (Totenbuch St. Michael 1635-1654), Bl. 86v (Nekrolog Rosina Ott verw. Bäurlin geb. Malsch)
- StadtA Schwäb. Hall 2/72b (Totenbuch St. Michael), S. 690 (Nekrolog Heinrich Sibäus v. Jemgumer Closter)
- StadtA Schwäb. Hall 2/73b (Totenbuch St. Michael), S. 461 (Nekrolog Susanna Praxedis v. Jemgumer Closter)
- StadtA Schwäb. Hall 2/75c (Totenbuch St. Michael), Bl. 212a (Nekrolog Catharina Magdalena v.. Jemgumer Closter)
- StadtA Schwäb. Hall 2/75c (Totenbuch St. Michael), Bl. 500b (Nekrolog Johann Lorenz v. Jemgumer Closter)
- StadtA Schwäb. Hall 2/75c (Totenbuch St. Michael), Bl. 547a (Nekrolog Johann Friedrich Textor)
- StadtA Schwäb. Hall 2/76d (Totenbuch St. Michael), Bl. 549a (Nekrolog Susanna Maria Franck)
- StadtA Schwäb. Hall 2/77b (Totenbuch St. Michael), S. 390 (Nekrolog Johann Andreas Franck)
- StadtA Schwäb. Hall 2/78a (Totenbuch St. Michael), S. 379 (Nekrolog Maria Rosina Wibel)
- StadtA Schwäb. Hall 2/78a (Totenbuch St. Michael), S. 381 (Nekrolog Regina Susanna Sandel)
- StadtA Schwäb. Hall 2/78b (Totenbuch St. Michael), S. 432 (Nekrolog Renata Sophia Sybilla Majer)
- StadtA Schwäb. Hall 2/78b (Totenbuch St. Michael), S. 628 (Nekrolog Johann Peter Churr)
- StadtA Schwäb. Hall 4/687 (Kaufbuch 1777-1779), S. 939
- StadtA Schwäb. Hall 4/689 (Kaufbuch 1783-1785), Bl. 58a
- StadtA Schwäb. Hall 4/784, fol. 64R (Grundschuldeintragung Michel Ruelin, 1584)
- StadtA Schwäb. Hall 4/881 (Unterpfandsbuch Stadt), Bl. 18
- StadtA Schwäb. Hall 4/1545 (Häuserbuch 1712), S. 7
- StadtA Schwäb. Hall 4/1547 (Häuserbuch 1767), S. 9
- StadtA Schwäb. Hall 4/1547a (Häuserbuch 1782), S. 13
- StadtA Schwäb. Hall 4/1883 - 4/1925 (Beetlisten 1579/80-1662)
- StadtA Schwäb. Hall 6/172 (Testament Anna Maria Beurlin, 1634)
- StadtA Schwäb. Hall 8/1087 (Heiratsvertrag Johann Andreas Franck u. Susanna Maria Textor, 1766)
- StadtA Schwäb. Hall 14/402 (Inventur Sebastian Thumas, 1619)
- StadtA Schwäb. Hall 14/594 (Inventur Anna Maria Bäurlin, 1634)
- StadtA Schwäb. Hall 14/601 (Inventur Anna Maria Bäurlin, 1634)
- StadtA Schwäb. Hall 14/1774 (Inventur Susanna Praxedis v. Jemgumer Closter, 1710)
- StadtA Schwäb. Hall 14/2922 (Inventur Johann Lorenz v. Jemgumer Closter, 1761)
- StadtA Schwäb. Hall 14/3193 (Inventur Susanna Maria Textor für Wiederverheiratung, 1767)
- StadtA Schwäb. Hall 14/3459 (Inventur Susanna Maria Franck, 1773)
- StadtA Schwäb. Hall 14/4314 (Inventur Maria Rosina Wibel, 1796)
- StadtA Schwäb. Hall 18/15 (Realteilung des Johann Peter Chur, 1803)
- StadtA Schwäb. Hall 18/27 (Realteilung der Magdalena Dorothee Chur, 1804)
- StadtA Schwäb. Hall 18/3530 (Realteilung Karl u. Emilie Ludwig Bausch, 1874)
- StadtA Schwäb. Hall 18/3984 (Realteilung der Susanna Margaretha Schlossstein, 1874)
- StadtA Schwäb. Hall 18/5143 (Beibringensinventar Fritz Clausnizer u. Marie Luise Fischer, 1882)
- StadtA Schwäb. Hall 18/6696 (Realteilung Carl Clausnizer, 1889)
- StadtA Schwäb. Hall 18/7288 (Realteilung Elise Clausnizer, 1891)
- StadtA Schwäb. Hall 18/11612 (Nachlassakten Friedrich u. Mathilde Clausnizer (1914-1933)
- StadtA Schwäb. Hall 19/828 (Güterbuch 3), S. 37
- StadtA Schwäb. Hall 19/844 (Güterbuch 19), S. 209
- StadtA Schwäb. Hall 19/999 (Kaufbuch 1805/06), Bl. 502a
- StadtA Schwäb. Hall 19/1011 (Kaufbuch 1828/29), Bl. 185b
- StadtA Schwäb. Hall 19/1037 (Kaufbuch 1870/71), S. 125
- StadtA Schwäb. Hall 19/1092a (Kaufbuch 1888), S. 115
- StadtA Schwäb. Hall HV NL 05/64 (Ms. E. Kost zu Kette u. Kampfgericht)
- StadtA Schwäb. Hall Mikrofilm (MF) KB 1390, Bd. 51 (Totenbuch St. Michael 1808-1822), Nr. 83/1810 (Friedrich Franz Erasmus Majer)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, Bd. 53 (Totenbuch St. Michael 1823-1834), Nr. 174/1825 (Johann Peter Sandel jun.)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, Bd. 53 (Totenbuch St. Michael 1823-1834), Nr. 162/1827 (Eintrag Johann Peter Sandel sen.)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, Bd. 55 (Totenbuch St, Michael 1855-1874), Nr. 98/1874 (Karl Ludwig Bausch)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, Bd. 55 (Totenbuch St, Michael 1855-1874), Nr. 130 (Emilie Bausch)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, Bd. 55 (Totenbuch St, Michael 1855-1874),
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, Bd. 56 (Totenbuch St. Michael 1875-1883), Nr. 11/1875 (Susanne Margarethe Sandel)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, MF KB 1392, Bd. 61 (Familienregister 1808ff), Bl. M 5 (Friedrich Franz Erasmus Majer)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, MF KB 1393, Bd. 64 (Familienregister St. Michael 1808ff), Bl. B 248 (Carl Ludwig Bausch),
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391, MF KB 1393, Bd. 64 (Familienregister St. Michael 1808ff), Bl. C 22-23 (Carl Clausnizer u. Christoph A. C. Clausnizer)
- StadtA Schwäb. Hall MF KB 1391,MF KB 1393, Bd. 69 (Familienregister St. Michael 1808ff, Bd. 6), Bl. S 3 (Johann Peter Sandel sen.)
- MF KB 1393, Bd. 69 (Familienregister St. Michael 1808ff, Bd. 6), Bl. S 4 (Johann Peter Sandel jun.)
- StadtA Schwäb. Hall 85/223 (Kaufvertrag F. F. E. Majer und J. P. Sandel, 1798-1806)
- StadtA Schwäb. Hall Bestand S27 (Genealogische Kartei)
Pläne und Ansichten vor 1827:
- StadtA SHA 16/0156 (nach 1735, Ausschnitt)