Haller Häuserlexikon – Besitzerliste 1827
Am Markt - Marktbrunnen und Pranger
Primärkatasternummer: 230 und 231
Besitzer: 1827
Geistliche Verwaltung zur Competenz des 2. u. 3. Präceptors
Besitzerliste
1827: Geistliche Verwaltung zur Competenz des 2. und 3. Präceptors
Befunde aus Bauforschung
Archäologische Funde aus dem 16. Jahrhundert (StadtA Schwäb.Hall BF 201)
Befunde aus Bauakten
1747: "Die Reparations-Kosten der Fischkästen unter dem Marckbronnen belauffen sich nac hder Anlaag auf 42 fl 40 x" (5/1901, Schr. v. 25.4.1747)
Beschreibungen
historische Beschreibungen
1827: PKN 230: 12,2 Ruten beim Wohnhaus Gymnasium samt Anbau; PKN 231: 6,8 Ruten Wohnhaus beim Gymnasium
Beschreibungen aus den Denkmallisten
Marktbrunnen und Pranger. Brunnenwand Sandstein, 1509, Brüstungsgitter 1620, schmiedeeiserner Brunnentrog 1739, Pranger Sandstein um 1500, Kopien von 1901. Eingetragen ins Landesverzeichnis der Baudenkmale in Württemberg seit 08.10.1925. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 74)
Am Markt (Flst.Nr. 0-7, 0-93). Marktbrunnen und Pranger. Brunnenwand Sandstein, 1509, Brüstungsgitter 1620. Schmiedeeiserner Brunnentrog 1739 [falsch! richtig ist 1787, siehe unten] . Pranger Sandstein, um 1500. Kopien 1901, Figuren Brunnenwand Kopien um 1970. § 28 (Flst.Nr. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)
Der eiserne Brunnentrog ist eindeutig auf 1787 datiert. Die Inschrift war in früheren Jahren aufgrund des höheren Straßenpflasters anscheinend nicht lesbar, woher wohl die falschen Datierungen der Denkmallisten rühren. Auch in der Stadtrechnung für 1787 die Anschaffung des "eisernen Kastens" zum "neuen Marcktbrunnen" verbucht. Der Haller Kaufmann Emmanuel Daniel David Härlin lieferte ihn (Gewicht: 11.996 Haller Pfund) zum Preis von 689 Gulden 23 Schillingen. Woher er die Platten bezogen hat, wird in den Quellen leider nicht angegeben. Am wahrscheinlichsten ist die Lieferung aus Königsbronn (Württemberg), wohin Haller Kaufleute enge Beziehungen unterhielten. Phasenweise war das Eisenwerk in Königsbronn sogar vom Herzogtum Württemberg an Haller Bürger (Rittmann, Haspel) verpachtet. 1786 war umgekehrt die hällische Hammerschmiede in Westheim an den Königsbronner Unternehmer Blezinger verkauft worden. In Frage kommen allerdings auch das hohenlohische Ernsbach und das ellwangische Wasseralfingen (StadtA Schwäb. Hall S01/1500; 5/238; HA A 1391).
Markt- oder Fischbrunnen (Marktplatz)
Der in der seltenen Form des Wandbrunnens angelegte Fisch- oder Marktbrunnen mit der Steinsäule des Prangers ist der künstlerisch bedeutendste Brunnen Schwäbisch Halls und in seiner Art in Deutschland einzigartig. Der Skulpturenschmuck wurde 1509-11 durch den Bildhauer Hans Beuscher angefertigt und 1901 durch Kopien ersetzt. Die (stark beschädigten) Originale befinden sich im Hällisch-Fränkischen Museum. Die Plastiken stellen den biblischen Helden Simson im Kampf mit dem Löwen, den Erzengel Michael (der Stadtpatron, nachdem auch die Michaelskirche benannt ist) als Überwinder des Satans und St. Georg als Drachentöter dar. Die maßwerkverzierten Felder zwischen den Skulpturen enthalten die von einem Engel getragene Wappen des Reichs und Schwäbisch Halls. Das schmiedeeiserne Renaissancegitter stammt von ca. 1620, der eiserne Brunnenkasten von 1787. Der Marktbrunnen war Teil eines umfangreichen Systems von Wasserleitungen und öffentlichen Brunnen, die der Versorgung der Stadtbevölkerung mit Trink- und Brauchwasser dienten, im Brandfall außerdem als Quelle für Löschwasser. Sie wurden von einem Brunnenmeister und seinen Knechten beaufsichtigt und gepflegt. Die Zuleitung erfolgte von den Höhen oberhalb des Kochertals über “Deicheln” (hölzerne Rohre) und steinerne Kandeln. Die eindrucksvolle "Teuchelsbrücke" über das Wettbachtal ist ein Überbleibsel dieses Leitungssystems. Noch Mitte des 19.Jahrhunderts gab es im Stadtgebiet 43 öffentliche Brunnen, die allerdings nach der Gründung des städtischen Wasserwerks (1871/72) und dem schrittweisen Aufbau eines Versorgungsnetzes für die einzelnen Haushalte nach und nach abgebaut wurden. Der Marktbrunnen ist einer der wenigen noch existierenden öffentlichen Brunnen aus der Reichsstadtzeit. Der Brunnenkasten wurde früher an den Markttagen für den Fischverkauf benutzt; deshalb wird der Marktbrunnen gelegentlich auch als "Fischbrunnen" bezeichnet.
Mit integriert in die Brunnenanlage ist der ebenfalls von Hans Beuscher stammende Pranger auf seiner Kanzel. Das Anketten am Pranger gehörte zu den sogenannten “Ehrenstrafen”. Ihr Zweck lag in der öffentlichen Demütigung und Beschimpfung der Verurteilten. Das Stellen an den Pranger oder “ins Halseysen” war eine beliebte Methode dieser Verächtlichmachung. Die Mindestdauer der Prangerstrafe betrug eine Viertelstunde, sie konnte sich jedoch auf eine halbe Stunde bis anderthalb Stunden ausdehnen. Sehr häufig kam sie aber auch als Nebenstrafe in Verbindung mit Leibesstrafen vor, z.B. der Stäupung (Auspeitschung mit Ruten oder Riemen) oder Brandmarkung, die am Pranger vollzogen wurden. Oft schloss sich die Prangerstrafe auch an eine Haft im Gefängnis an. Neben der Verächtlichmachung diente die Prangerstrafe auch der Kenntlichmachung und Warnung z.B. vor Dieben oder Betrügern. Der am Pranger Stehende war sozusagen sein eigener Steckbrief. Dieselbe Funktion hatten auch die den Angeprangerten umgehängten Schilder, auf denen z.B. folgende Beschriftungen standen: “Haus- und Gartendieb”, Leutbetrüger", “Flucher”, “Gotteslästerer”, “Trunkenbold”, “Erzdiebin”, “Stadt- und Landhur”, “Seegensprecherin”. Zur weiteren Demütigung gab man den am Pranger Stehenden oft auch noch eine Rute in die Hand oder hängte Diebesgut um den Hals. Prinzipiell endeten diese Bestrafungsformen mit dem Ende der Reichsstadtzeit 1802. In einzelnen Fällen wurden sie jedoch noch im 20. Jahrhundert praktiziert. So wurde im Juni 1941 eine junge Frau von NS-Funktionären durch öffentliches Haarescheren bloßgestellt und erniedrigt, weil ihr “verbotener Umgang” mit einem Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter aus dem Osten vorgeworfen wurde. Nach dem Kriegsende 1945 wurde der ehemalige NSDAP-Kreisleiter Otto Bosch von amerikanischen Soldaten am Pranger angekettet und von der Bevölkerung beschimpft und mit Abfall beworfen (nach Nordhoff-Behne).
Quellen
Archivalien:
- StadtA Schwäb. Hall 5/1901 (Reparatur der Freitreppe)
Literatur:
- Hildegard Nordhoff-Behne: Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege der Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert (Forschungen aus Württembergisch Franken; Bd. 3), Schwäbisch Hall 1971, S.141ff
- Arnhild Retzlaff: Wasser, Abwasser und Unrat. Hygiene-Probleme des 17. Jahrhunderts im Spiegel Haller Ratsprotokolle und Dekrete, in: Albrecht Bedal, Isabella Fehle (Hg.): HausGEschichten. Bauen und Wohnen im alten Hall und seinen Vorstädten (Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums; Bd. 8), Sigmaringen 1994, S. 229-240